Die Digitalisierung schreitet voran, und inzwischen gibt es in den App-Stores eine große Auswahl an gesundheitsbezogenen Apps, die Linderung bei allen möglichen Leiden versprechen. Das Angebot ist breit gefächert und reicht vom digitalen Rücken-Work-out über Meditation-Apps bis hin zum Diabetes-Tagebuch. Ersetzt jetzt die App den Arztbesuch? „Nein, solche digitalen Gesundheitsanwendungen machen den Arzt nicht überflüssig, sondern sie unterstützen und begleiten die Behandlung“, erklärt Marcel Weigand, Leiter Kooperationen und digitale Transformation bei der Patientenberatung Deutschland (UPD).

Was leisten die einzelnen Apps?

„Die Apps sind speziell auf die Behandlung bestimmter Erkrankungen abgestimmt und dementsprechend sehr unterschiedlich“, weiß Marcel Weigand. Beispielsweise gibt es Apps die zur Behandlung dienen, etwa Rückenübungen bei Skeletterkrankungen oder Entspannungsübungen bei Angstattacken. Außerdem gibt es Apps zur Erfassung und Auswertung von Daten, etwa digitale Migränetagebücher. Teilweise werten die Apps auch Daten von Fitnesstrackern und ähnlichen Geräten aus, sodass man zum Beispiel bei Schlafstörungen die Schlafqualität genauer analysieren kann.

Welche Vorteile haben die Apps im Vergleich zu nicht digitalen Methoden?

Das hängt natürlich von der Art der App ab. Bestimmte Daten könnte man auf konventionellem Wege gar nicht erfassen, beispielsweise die Erkennung von Tiefschlafphasen. Oft ist die Aufzeichnung auch detaillierter, und es passieren weniger Übertragungsfehler als bei klassischen Notizen auf Papier. Deshalb kann man die Behandlung sehr viel individueller und präziser auf die eigene Gesundheitssituation abstimmen.

Außerdem kann man die Daten elektronisch an die Praxis weiterleiten, sodass sie dem Arzt sofort zur Verfügung stehen und man Fragen telefonisch oder per Mail klären kann. Und nicht zuletzt erleichtern die Apps auch das Durchhalten einer Behandlung, beispielsweise wenn die App regelmäßig an die Rückenübungen erinnert.

Welche digitalen Gesundheitsanwendungen werden von den Kassen bezahlt?

„Grundsätzlich muss man zwei Arten von digitalen Gesundheitsanwendungen unterscheiden“, sagt Weigand. Manche Apps werden nur von einzelnen Krankenkassen als sogenannte „Satzungsleistungen“ bezahlt. Das sind Angebote, die eine Kasse zusätzlich zu den gesetzlich festgeschriebenen Leistungen gewähren kann – ähnlich wie beispielsweise die Kostenübernahme für die Zahnreinigung oder für Homöopathie. Auf die sogenannten „Apps auf Rezept“ dagegen haben alle gesetzlich Versicherten einen Anspruch – und bei einer offiziellen Verordnung vom Arzt gibt es die Anwendungen auch kostenlos. Bei privat Versicherten hängt es von der einzelnen Versicherung ab, ob und welche Apps bezahlt werden.

Was gilt bei den Satzungsleistungen?

Apps als Satzungsleistungen sind „freiwillige Leistungen der Kasse für ihre Versicherten“, erläutert der Experte. Das Angebot unterscheidet sich folglich von Kasse zu Kasse und man muss nachfragen, ob und gegebenenfalls welche digitalen Gesundheitsanwendungen die eigene Kasse finanziert oder bezuschusst.

Was gilt für die Apps auf Rezept?

Seit Oktober 2020 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf eine Kostenübernahme für ganz bestimmte digitale Gesundheitsanwendungen, die sogenannten „Apps auf Rezept“. Bedingung für die Kostenübernahme ist, dass die App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft wurde und im offiziellen DiGA-Verzeichnis gelistet ist. „Bei Apps, die auf dieser Liste stehen, erstatten die Krankenkassen die Kosten“, erläutert Weigand. Das Verzeichnis findet man auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (diga.bfarm.de). „Derzeit finden sich noch relativ wenige Apps auf dieser Liste, doch in Zukunft werden weitere digitale Gesundheitsanwendungen hinzukommen“, so die Einschätzung des Gesundheitsexperten.

Bekommt jeder Versicherte alle zugelassenen Apps von der Kasse bezahlt?

Nein. Die einzelnen Apps sind immer nur für bestimmte Erkrankungen zugelassen. „Die Krankenkasse übernimmt die Kosten nur, wenn ein Arzt die jeweilige Krankheit auch tatsächlich diagnostiziert hat“, erklärt Weigand. Das funktioniert wie bei allen anderen Kassenleistungen, die man ja auch nur bekommt, wenn man die entsprechende Erkrankung hat.

Wie bekomme ich die App auf Rezept?

Dazu gibt es zwei Wege. Zum einen kann man sich direkt beim Arzt ein entsprechendes Rezept ausstellen lassen. Das reicht der Versicherte bei seiner Krankenkasse ein. „Liegt der Krankenkasse die Diagnose bereits vor, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt oder bei chronischen Erkrankungen, kann sich der Versicherte auch ohne Rezept direkt an seine Kasse wenden“, sagt Weigand. Man kann der Kasse die Diagnose auch anderweitig nachweisen, etwa durch ein Attest.

In allen Fällen prüft die Krankenkasse den Vorgang. Ist alles okay, erhält der Versicherte einen Freischaltcode, mit dem er die App kostenfrei nutzen kann, nachdem er sie im App Store heruntergeladen hat.

Laufen die zugelassenen Apps nur auf dem Smartphone?

Das ist unterschiedlich. Die meisten zugelassenen digitalen Gesundheitsanwendungen laufen auf Smartphones und Tablets, einige sind Web-Anwendungen für den PC. Manche funktionieren auch auf sämtlichen Geräten.

Bezahlt die Kasse auch die notwendigen Geräte?

Nein, die Kasse bezahlt nur die App. „Die Kosten für das Smartphone, Tablet oder den PC, den eventuell notwendigen Fitnesstracker oder andere Hardware muss der Versicherte selbst tragen“, sagt Weigand.

Kann man sich die zugelassenen Apps auch selbst kaufen, wenn die Kasse die Kosten nicht übernimmt?

Ja, die meisten zugelassenen Apps sind auch kostenpflichtig im App Store verfügbar.

Wie wird die Qualität der Apps auf der Liste geprüft?

„Die zugelassenen digitalen Gesundheitsanwendungen müssen laut Gesetz mehr als 100 Kriterien erfüllen, beispielsweise zum Datenschutz, zum Service, zur Sicherheit und zur Qualität der Inhalte“, sagt der Experte. Nur digitale Gesundheitsanwendungen, die angeben, dass sie diese Vorgaben erfüllen, werden in die Liste aufgenommen.

Bringen die zugelassenen Gesundheits-Apps auch wirklich etwas? Sind sie wirksam?

Manche der zugelassenen Apps haben von Beginn an einen Wirksamkeitsnachweis in Form von bereits durchgeführten Studien, aber das gilt nicht für alle. „Für die ersten zwölf Monate kann eine digitale Gesundheitsanwendung derzeit auch ohne Wirksamkeitsnachweis in die Liste aufgenommen werden“, erläutert Weigand.

Kann der Hersteller die Wirksamkeit der App auch nach diesem ersten Jahr nicht beweisen, wird sie aber wieder von der Liste genommen und die Krankenkassen dürfen die Kosten nicht mehr erstatten. Das bedeutet im Umkehrschluss: Ist die App seit mindestens zwölf Monaten zugelassen, ist sie auch wirksam. Da die Zulassungen noch neu sind, werden die ersten Apps diese Zwölf-Monats-Grenze frühestens im Oktober 2021 erreichen.

Woran kann ich erkennen, ob eine zugelassene App schon einen Wirksamkeitsnachweis hat oder noch nicht?

Bei jeder App, die im offiziellen DiGA-Verzeichnis aufgelistet ist, gibt es einen Button mit der Aufschrift „Weitere Informationen zur DiGA“ und hier finden sich auch die Informationen zur Wirksamkeit und über bereits durchgeführte Studien.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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