Soltau. Timo Rieckmanns Arbeitsplatz ist eine Gieß-Zelle. Der Anlagenmechaniker nimmt einen Tragarm aus einer Presse und bearbeitet das Gussteil. In einer anderen Zelle fügt Fred Scheutzenhammer Bohrungen und Gewinde hinzu. Diese sogenannte Zellenfertigung der G.A. Röders Druck- und Spritzgießerei macht das Unternehmen besonders flexibel. Innerhalb weniger Stunden lässt sich auf diese Weise der Wechsel der Gussteile vornehmen. So konnte das Traditionsunternehmen in der Coronakrise kurzerhand Teile für dringend benötigte Beatmungsgeräte produzieren.

„Wir haben die Stückzahlen innerhalb weniger Tage vervierfacht“, sagt Geschäftsführer Andreas Röders. „Nach dem Anruf unseres Kunden haben wir die Produktion sofort umgerüstet und fertigen im Rekordtempo die Teile.“

Tarifabschluss ist hilfreich in Zeiten starker Auftragsrückgänge

Beim Besuch des aktiv-Redakteurs Anfang April ist bei der G.A. Röders nichts wie in normalen Zeiten. Am Eingang befindet sich Desinfektionsmittel. Mehr als die Hälfte der kaufmännischen Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice. Die Arbeitsplätze in der Produktion sind auf Abstand aufgebaut und auch bei den notwendigen Produktionsbesprechungen wird auf Distanz geachtet. Die Zusammenarbeit mit dem Tochterunternehmen in Tschechien funktioniert, sagt Röders. Die eigene Firma besuchen können zurzeit aber weder die Besitzer noch die Fachleute aus Soltau, die Grenzen sind geschlossen. „Immerhin produzieren wir noch in beiden Werken“, freut sich Röders. An Kurzarbeit wird auch die G.A. Röders nicht vorbeikommen.

Dass die Tarifpartner von IG Metall und dem Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall völlig unaufgeregt und pragmatisch einen Tarifabschluss erzielt haben, lobt der Geschäftsführer ausdrücklich. „Das war ein starkes Zeichen.“ Die Auftragseingänge sind auch bei ihm dramatisch zurückgegangen.

Erhebliche Verwerfungen in der Zulieferindustrie

„Besonders hart trifft uns, dass die Automobil-Industrie in den letzten Jahren durch mehrere Krisen gegangen ist“, ergänzt sein Vetter Gerd Röders, ebenfalls Geschäftsführer. Zunächst die Dieselkrise, dann die Zulassungsbeschränkungen der Europäischen Union und zuletzt die überstürzte Einführung der Elektromobilität haben wie in der gesamten Zulieferindustrie zu erheblichen Verwerfungen geführt. „Und nun auch noch Corona. Wir Gießer gehen schwer angeschlagen in die Krisensituation“, sagt Gerd Röders.

Das gilt auch für das zweite Standbein der Firma, die Flugzeug-Industrie. Hier haben der Skandal bei Boeing und jetzt die weltweiten Einschränkungen des Flugverkehrs zu massiven Einbrüchen bei den Bestellungen geführt. Für G.A. Röders ist das ungewöhnlich, „denn die Flugzeug-Industrie hat sich in den letzten Krisen stets stabil gezeigt“. Die niedersächsische Druckgießerei gehört zu den wenigen in der Branche, die wichtige Zertifizierungen für den Automobil- und auch den Flugzeugbau vorweisen können.

Lieferung für Beatmungsgeräte macht die Mitarbeiter stolz

„Dass wir uns schon immer breit aufgestellt haben, zeigt auch jetzt große Vorteile“, sagt Andreas Röders. In guten Zeiten suchen viele Gießer oftmals Kunden mit großen Serien, um durch hohe Produktionsmengen die Margen zu verbessern. G.A. Röders hingegen fertigt seit Jahrzehnten auch kleine Serien für die Medizintechnik. Dass die G.A. Röders mithilft, die Stückzahlen der weltweit dringend benötigten Beatmungsgeräte drastisch zu erhöhen, macht die Mitarbeiter besonders stolz. „Alle haben kräftig mitgezogen“, sagt Betriebsleiter Liegard Lemanski.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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