München. Per Computer aus der Ferne einen Arzt konsultieren? Noch vor einem Jahr konnte sich dies laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom nur jeder dritte Deutsche vorstellen. Das hat sich durch die Verbreitung des Coronavirus inzwischen massiv geändert.
Bei einer erneuten, aktuellen Umfrage sprachen sich nun 66 Prozent für Telemedizin aus. So könne die medizinische Versorgung aller Patienten gewährleistet werden und gleichzeitig die Ansteckungsgefahr mit dem Virus für Patienten, Ärzte und medizinisches Personal verringert werden.
Für die Medizin hat die Coronapandemie also einen deutlichen Schub in Richtung Digitalisierung gebracht. Doch nicht nur hier. Auch in vielen anderen Bereichen wird seit Wochen spürbar, was Digitalisierung leisten kann.
Da ist etwa das orts- und zeitunabhängige Arbeiten von zu Hause aus. Fast jeder zweite Berufstätige in Deutschland (49 Prozent) arbeitet laut Bitkom aufgrund der Coronapandemie zeitweise oder komplett aus dem Homeoffice. So lässt sich bei vielen auch die Betreuung der Kinder besser organisieren, die ebenfalls zu Hause bleiben müssen.
Der Datenverkehr hat merklich zugenommen
Allerdings gibt es Grenzen, wie die Befragung zeigt: Vier von zehn Berufstätigen können ihren Job aufgrund der Art der Arbeit gar nicht zu Hause ausüben. Und viele Firmen mussten den daheim Arbeitenden erst das technische Equipment beschaffen. Zudem stehen nicht allen ausreichende Bandbreiten für die Datenübertragung zur Verfügung.
Tatsächlich hat der Datenverkehr merklich zugenommen. Schon Mitte März verzeichnete der Frankfurter Internetknoten eine Verdopplung der Videokonferenz-Aktivitäten sowie der Zugriffe auf Online-Spiele, 50 Prozent mehr Datentransport über Verteilernetze und 10 Prozent mehr Bewegung im gesamten Datenverkehr.
Kein Wunder, wenn neben dem Beruf auch Bildung und Freizeitaktivitäten über das Netz stattfinden. Für die geschlossenen Schulen etwa war das Bereitstellen digitaler Lerninhalte eine absolute Notwendigkeit.
Doch auch Betriebe und weitere Bildungseinrichtungen zogen nach: So unterrichtet etwa der Autohersteller Audi seine Azubis digital. Der Heizungstechnikspezialist Wolf aus Mainburg hat sein Angebot an Webinaren für Kunden ausgeweitet. Die Münchner Volkshochschule wiederum hat Online-Unterricht neu im Programm. Auch Sportangebote, Kunst und Musik sowie Unterhaltung gibt es im Netz.
Von der neuen Online-Lust profitieren meist etablierte Kanäle
Für viele Anbieter war der Sprung hinein ins digitale Zeitalter neu oder wenig erprobt. Deutlich im Vorteil war, wer schon etablierte digitale Kanäle hatte. Das sieht man etwa am Handel. So hat der Kochboxenlieferant Hellofresh seinen Umsatz im ersten Quartal 2020 um zwei Drittel gegenüber dem Vorjahresquartal gesteigert. Auch etablierte Online-Apotheken, Lebensmittelhändler oder Fachhändler für Heimwerkerbedarf legten laut Bundesverband E-Commerce und Versandhandel zu.
Sicher werden nicht alle neu eingeführten digitalen Angebote langfristig bestehen bleiben. Doch die Krise zeigt, dass viel mehr möglich ist als gedacht - und dass Kunden bereit für digitale Geschäftsmodelle sind.
Dadurch können neue Wertschöpfung und gesellschaftlicher Mehrwert entstehen – wie etwa der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft schon länger betont. Um die Potenziale auszuschöpfen, muss jedoch unter anderem die digitale Infrastruktur deutlich ausgebaut werden, so die Experten.