Aachen. Schritt für Schritt etwas fürs Klima tun. Das geht! Mit der Klimasocke. „Sie enthält ein elastisches Polymergarn, in dem C02 eingebunden ist“, erklärt Ricarda Wissel.

Wie bitte, CO2-Gas in Socken? „Genau! Es ist fest eingebunden in das silbrig schimmernde Garn, mit dem ein Teil der Socke gestrickt wurde“, sagt die angehende Maschinenbau-Ingenieurin, die an der RWTH Aachen ihren Masterstudiengang Kunststoff- und Textiltechnik absolviert.

Kaum zu glauben: Das Garn ist ein echter Pluspunkt in Sachen Umwelt- und Klimaschutz. Anstatt aus einer industriellen Produktionsanlage in die Luft zu entweichen, wird das fürs Klima schädliche Gas fest im Polymer eingelagert, das dann als Rohstoff für die Garnproduktion eingesetzt wird. „Es kann aus der Socke nicht entweichen und wirkt sich auch nicht auf den Tragekomfort aus“, so Wissel, die sich auf die Entwicklung solcher textilen Materialien konzentriert.

Das Polymer benötigt deutlich weniger Erdöl bei der Herstellung – ein weiterer Vorteil für die Umwelt

Ein Fachgebiet, in dem auch Kollege Pavan Manvi am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (ITA) forscht. Bei dem promovierten Diplom-Ingenieur arbeitet Wissel als studentische Hilfskraft. Zusammen haben sie die Socke entwickelt und wurden dafür 2020 von der Wilhelm Lorch Stiftung ausgezeichnet, die Nachwuchskräfte aus der Branche bei der Fort- und Ausbildung unterstützt.

Manvi hat den Prozess zur Herstellung des Garns aus kohlenstoffdioxidbasiertem Polyurethan entwickelt, Wissel hat dann das am ITA ausgesponnene Garn erstmals zur Sockenherstellung eingesetzt. „Das war wissenschaftliches Teamwork, unterstützt von zwei Unternehmen“, sagt Manvi.

Denn ohne das neuartige Polymer, das der Leverkusener Polymerproduzent Covestro als Granulat vor gut zehn Jahren erfand, gäbe es die Socke nicht. Bei der Herstellung wird nicht nur CO2 fest ins Material eingebunden, das Verfahren verbraucht auch weniger Erdöl als die Produktion herkömmlicher Vergleichsmaterialien. 

„Ich konnte dann das Verfahren entwickeln, das aus diesem Granulat ein Filamentgarn macht, ohne dass dafür Lösungsmittel eingesetzt werden müssen“, erklärt Manvi – ein weiterer Vorteil für die Umwelt. Fehlte noch die Anwendung. „Da komme ich ins Spiel“, sagt Wissel. Sie überzeugte den Strumpfhersteller Falke in Schmallenberg 2019 davon, eine Socke unter Anwendung dieses elastischen Garns zu stricken. „Es war Teil meiner Bachelorarbeit, einen Prototyp zu stricken.“

Falke bereitet jetzt die industrielle Fertigung vor

Im Stricksaal des Strumpf-Spezialisten stellte sie die Maschinen dafür neu ein. „Zusammen mit einem Techniker habe ich die Maschinen so justiert, dass sie lockerer strickten, um den höheren Schrumpfungsgrad des Garns auszugleichen.“ Falke hat seitdem das Material weiterentwickelt und tüftelt derzeit an der industriellen Fertigung, um in Kleinserie gehen zu können. Und Wissel ist sich sicher: „Langfristig könnte man auch andere Textilien mit dem klimafreundlichen Garn fertigen.“ 

    Nachgefragt

    Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

    Ich bin technikinteressiert, hatte Biologie und Physik im Abitur. Ein Technikstudium bot sich da an.

    Was reizt Sie am meisten?

    Die unterschiedlichen Anwendungen bei Textilien. Vom Textilbeton über Faserverbundwerkstoffe bis hin zu nachhaltigen Anwendungen.

    Worauf kommt es an?

    Dass Forschung anwendungsorientiert ist. Deshalb ist es auch wichtig, mit Unternehmen zu arbeiten, wie wir das bei der Socke gemacht haben.

    Chemiefasern in Deutschland

    • 537.000 Tonnen wurden 2019 hierzulande produziert.
    • 97.000 Tonnen wurden in Bekleidung verarbeitet.
    • 157.000 Tonnen wurden in Heimtextilien verarbeitet.

    Quelle: IVC

    Anja van Marwick-Ebner
    aktiv-Redakteurin

    Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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