Mertingen. Mal ist ein Backofen an Bord, mal sogar die komfortable Fußbodenheizung: Rund 10.000 Wohnwagen fertigt der Hersteller Fendt-Caravan in einem normalen Jahr. Doch 2020 werden es deutlich weniger sein. Denn das erste Halbjahr war alles andere als normal.

Von Ende März bis Anfang Mai stand das Werk im schwäbischen Mertingen mit 750 Mitarbeitern wegen Corona für sechs Wochen nahezu komplett still. Dabei ist das Frühjahr für die Firma die umsatzstärkste Zeit des Jahres.

Corona spielt dem Camping-Urlaub in die Hände

„Der Zeitpunkt des Produktionsstopps tat uns extrem weh“, sagt Hans Frindte, der kaufmännische Geschäftsführer von Fendt-Caravan. „Was wir in diesen Wochen nicht gebaut haben, können wir nicht einfach so nachholen.“ Trotzdem schaut er schon wieder voller Optimismus in die Zukunft: „Denn Corona spielt Camping natürlich auch irgendwie in die Hände.“

Denn wer dieses Jahr seine Pauschalreise ins Ausland streicht, probiert es eventuell mal mit Camping, wo Abstand zu Mitmenschen gut möglich ist. Ein solcher Corona-Effekt könnte dann mittelfristig neue Kunden bescheren: „Jeder Neuling, der in diesem oder im kommenden Jahr von seinem ersten Campingtrip begeistert zurückkommt, ist ein potenzieller Käufer von morgen.“

Dass sich viele begeistern lassen, bezweifelt der Fendt-Chef nicht: „Das Gartenzwerg-Image vergangener Tage hat Camping längst abgelegt. Caravanurlaub ist eine der wenigen wirklich individuellen Urlaubsformen, die mit einem hohen Maß an Sicherheit und Geborgenheit klar im Trend liegt.“ Hinzu kommt, dass das Angebot viel differenzierter ist als früher. Platzsparende Etagenbetten etwa überzeugen Familien mit Kindern. Elektrische Rangierhilfen sind bei älteren Kunden gefragt. Und gepflegte Camping-Anlagen, teils sogar mit Golfplatz, sprechen eine neue Klientel an.

Die Mehrwertsteuersenkung könnte das Geschäft ankurbeln

Doch bevor das Geschäft anzieht, muss der Betrieb wieder hochgefahren werden. Neue Arbeitsprozesse sind dafür bereits etabliert. Fenster und Türen eines Wohnwagens etwa werden neuerdings erst ganz zum Schluss eingebaut. So kann im Inneren mehr Luftaustausch stattfinden. Das senkt das Infektionsrisiko der Mitarbeiter. Beim Wohnwagenbau sind 90 Prozent noch echte Handarbeit. Kleine Teams montieren im Wagen Schränke, Tische und Betten.

An anderen Baustellen geht es nicht so schnell. So benötigt die Vorplanung der Produktion rund vier Monate. Etwa um Zubehör wie Möbel oder Küchen zu organisieren. Viele Zulieferer seien klein, hoch spezialisiert und könnten ihre Produktion nicht schnell hochfahren. Alternativen gibt es kurzfristig nicht.

Von Oktober bis Dezember will Fendt-Caravan auf jeden Fall mehr produzieren. Zwar ist die Nachfrage im Winter eher schwach – doch heuer könnte das dank der befristeten Mehrwertsteuersenkung anders sein. „Ein Wohnwagen von uns kostet gerne mal 30.000 Euro“, erklärt Frindte. „Ob ich 2020 oder 2021 kaufe, macht da schon einen Unterschied von über 750 Euro.“

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

Alle Beiträge des Autors