Vor einiger Zeit hatte ich die Ehre, im Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtags Platz nehmen zu dürfen. Der liberale Vorsitzende des Umwelt- und Agrarausschusses hatte mich als Sachverständigen geladen, um mit anderen Experten die Fragen der Abgeordneten zum geplanten Lieferkettengesetz des Bundes zu beantworten. Für dieses Gesetz machen sich in Berlin wie auch in Kiel vor allem die SPD und die Grünen stark.

Ein CDU-Abgeordneter stellte bemerkenswerte Fragen – die pointierte Nacherzählung lautet etwa so: Könnte es sein, dass unter den strengen Anforderungen dieses Gesetzes keine einzige der Millionen von Corona-Schutzmasken aus China nach Deutschland importiert worden wäre? Weil in der Volksrepublik die Menschenrechte bekanntlich keinen hohen Stellenwert haben? Und wären die Deutschen dann zwar maskenlos und guten Gewissens geblieben, aber wahrscheinlich massenhaft erkrankt oder gar verstorben?

Eine Frage der unternehmerischen Verantwortung

In diesen provokanten Fragen steckt ein wichtiger Kern: Wie viel unternehmerische Verantwortung gilt wem gegenüber wann?

Viele Betriebe unserer norddeutschen M+E-Industrie stehen für hohe Standards im eigenen Lande, in ihren Niederlassungen weltweit und in den Verträgen mit Zulieferern. Aber sind sie auch haftbar zu machen, wenn vor der Fabrik ihres chinesischen Zulieferers ein Dissident verhaftet wird? Muss die Industrie sofort ihre Beziehungen zu Firmen in allen Ländern abbrechen, in denen per Staatsstreich die Demokratie ausgehebelt wird?

Es wird mit zweierlei Maß gemessen

Mein Eindruck ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird: Während mit dem Schutz von Umwelt und Menschenrechten nahezu jede Maßnahme gerechtfertigt wird, scheint dem Gesetzgeber die Verantwortung für Arbeitsplätze und Produktion hier im Land deutlich weniger wert.

Und gerade jene Experten, die im Kieler Landtag die Menschenrechte für unverhandelbar erklärten, waren plötzlich zu Ausnahmen bereit, wenn es um die eigene Gesundheit ging. Solchen Scheinheiligkeiten sollten wir nicht Vorschub leisten. Weshalb ich den Abgeordneten in allen hohen Häusern empfehle, gegen das Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form zu stimmen.