Köln. Warum hängt der Aufschwung auch vom Impffortschritt ab? aktiv fragte den Ökonomen Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Was hat die Impfquote eigentlich mit der Wirtschaft zu tun?

Ganz klar: Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger Schutzmaßnahmen sind nötig. Die Arbeitsorganisation in den Betrieben ist immer noch eingeschränkt. Da können Räume nicht normal genutzt werden und Beschäftigte nicht so eng zusammenarbeiten – weil noch nicht genug Menschen geimpft sind.

Andere Länder sind da schon weiter …

Ja, beim Impffortschritt ist bei uns durchaus noch Luft nach oben. Potenzial können wir vor allem bei denjenigen heben, die es bisher einfach für nicht so dringend hielten, sich impfen zu lassen, die aber nicht direkt zu den Verweigerern zählen.

Was halten Sie von einem Impfzwang?

Viel wichtiger als so ein Eingriff sind unkomplizierte Angebote, doch damit sind wir später dran als andere. Als Länder wie Israel schon in Einkaufszentren impften, wurde das bei uns noch belächelt. Es ist gut, dass es jetzt mobile Impfbusse gibt, die in die Stadtteile mit niedrigen Impfquoten fahren. Eine Impfpflicht hat die Politik früh ausgeschlossen, deshalb wäre sie jetzt mit einem Vertrauensverlust verbunden. Doch für Beschäftigte, die mit verletzlichen Gruppen wie Pflegebedürftigen zu tun haben, wäre sie meiner Meinung nach durchaus zumutbar.

Aber vielen Arbeitnehmern geht schon eine Auskunftspflicht über den Impfstatus zu weit.

Paradox: Denn wir müssen ja auch auch in jedem Restaurant nachweisen, ob wir geimpft oder getestet sind, damit dort ein halbwegs normaler Betrieb möglich ist. Warum soll das, was in der Gastronomie selbstverständlich ist, nicht auch für Industriebetriebe gelten?

Leidet die Industrieproduktion noch immer unter Corona?

Sie hat das Vor-Corona-Niveau noch nicht wieder erreicht, geschweige denn das Niveau von vor der Rezession, die schon 2018 begann. Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Sorgen macht derzeit vor allem die Auto-Industrie, die unter anderem vom Chipmangel ausgebremst wird.

Hängen Wettbewerbsländer uns ab?

Das Risiko sollte man zwar nicht überbewerten. Aber die pandemiebedingten Einschränkungen bei Reisen treffen die Industrie in unserem Land besonders hart, weil sie so exportorientiert ist. Da ist es auch ein größeres Risiko fürs Geschäft, wenn die Mitarbeiter nicht so leicht zu Kunden können, etwa um neue Produkte anzubieten oder Maschinen zu warten. Virtuell ist vieles möglich – aber der persönliche Kontakt ist oft unverzichtbar.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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