Homburg/Saar. Die E-Mobilität kommt. Davon geht auch thyssenkrupp (tk) Gerlach fest aus. Das Schmiedeunternehmen, eine Tochter des Stahl- und Technologiekonzerns mit Sitz im saarländischen Homburg, hat deshalb schon 2020 in eine der modernsten Schmiedelinien der Welt investiert: Herzstück ist eine rund zehn Meter hohe und 1.700 Tonnen schwere Schmiedepresse mit einer Presskraft von 16.000 Tonnen. Mehr als 80 Millionen Euro hat diese Anlage gekostet! Damit lassen sich Fahrwerksteile herstellen, die in Lkws und anderen Nutzfahrzeugen wie Bussen verbaut werden können – unabhängig davon, ob sie nun mit Sprit oder mit Strom fahren. Aktuell produziert der Betrieb hier Vorderachsen für Lkws.

Beim aktiv-Besuch zeigt tk-Gerlach-Chef Franz Eckl die Anlage, die dazu beitragen soll, den Betrieb auch nach der Umstellung der europäischen Automobil-Industrie auf Elektromobilität wettbewerbsfähig zu halten. Bisher produziert tk Gerlach mit seinen rund 650 Beschäftigten nämlich hauptsächlich Kurbelwellen in einer Gesenkschmiede. Dabei wird der auf fast 1.300 Grad erhitzte Stahl in die gewünschte Form – das Gesenk – gedrückt und von einer Presse bearbeitet. Das Problem: Elektromotoren kommen ohne Kurbelwelle aus. Die neue Anlage für andere Teile ist also eine ganz wichtige Investition in die Zukunft des Betriebs.

CO2-Zertifikate machen Stahl teurer, aber nicht Schmiedeteile

Doch jetzt droht der Schmiede Ungemach. Pläne der EU-Kommission bereiten Geschäftsführer Eckl große Sorgen: Die Kommission hat ein Vorschriftenpaket auf den Weg gebracht, das EU-Produkte, auf die in der Union CO2-Abgaben gezahlt werden müssen, gegenüber Importen aus dem Rest der Welt wettbewerbsfähig halten soll. Künftig sollen die Importeure für solche Waren Zertifikate kaufen müssen, die dem Preis für den Ausstoß des Klimagases in Europa entsprechen.

„Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle“

Geschäftsführer Franz Eckl

Dieser Grenzausgleichsmechanismus (englisch Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM) soll für die Produktgruppen Aluminium, Düngemittel, Eisen und Stahl, Zement sowie Strom und Wasserstoff gelten. „Allerdings nicht für wichtige Produkte, die aus diesen Werkstoffen hergestellt werden“, kritisiert Eckl. Das heißt: Stahl wird für tk Gerlach teurer, weil die Stahlherstellung in der EU CO2-neutral werden soll – und das ist vorerst mit höheren Kosten verbunden. Stahlschmiedeteile von Konkurrenten aus Nicht-EU-Staaten könnten die Kunden dagegen ohne Aufschlag importieren.

„Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen“, fordert Eckl. Und die gäbe es nur, wenn die CBAM-Liste erweitert werde: „Grundsätzlich müssten aus unserer Sicht alle Gesenkschmiede-Teile aus Stahl in das Ausgleichssystem aufgenommen werden, denn mehr als 75 Prozent der CO2-Emissionen bei Schmiedeteilen entstehen bei der Stahlherstellung.“ Andernfalls seien die Europäer nicht mehr wettbewerbsfähig, denn in Asien oder der Türkei gefertigte Produkte würden dann spürbar günstiger. Wenn diese den europäischen Markt fluten, „können wir das Werk in Homburg schließen“, so Eckl.

Auch dem Klimaschutz würde ein Bärendienst erwiesen: Nach Angaben des Industrieverbands Massivumformung, der die Schmiedebranche vertritt, liegt in China der CO2-Ausstoß für vergleichbare Teile beim Zwei- bis Dreifachen der europäischen Produktionswerte.

Das Unternehmen hat seinen Energieverbrauch stark reduziert

Doch die EU-Pläne schreiten voran. Im Dezember einigten sich Unterhändler der tschechischen Ratspräsidentschaft und des Europäischen Parlaments grundsätzlich darauf, den Grenzausgleichsmechanismus einzuführen. Doch es sollen Übergangsfristen gelten, mit der Option, weitere Produkte einzubeziehen. „Alles andere wäre ein Treppenwitz, denn unser Unternehmen hat sich auch beim betrieblichen Umweltschutz mustergültig verhalten“, sagt der kaufmännische Geschäftsführer Roland Klotti. So sei etwa der Verbrauch von Strom und Gas heute ein Drittel niedriger als noch vor 15 Jahren.

Streit um den CO2-Ausgleich

Die EU plant, einen sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus einzuführen. Der soll den Import bestimmter energieintensiver Waren verteuern, um den Betrieben in der EU Chancengleichheit zu verschaffen: Schließlich müssen heimische Firmen für die Herstellung der gleichen Stoffe in Europa CO2-Zertifikate kaufen. Der CO2-Ausgleich soll ab 2026 für die Grundstoffe Aluminium, Düngemittel, Eisen und Stahl, Zement sowie Strom und Wasserstoff gelten.

Ökonomen fordern, auch den Import nachgelagerter Produkte entsprechend zu verteuern: Hersteller in der EU könnten sonst benachteiligt werden.