Berlin. Die Vorgaben für den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) werden weiter verschärft. Darauf haben sich die Unterhändler der EU-Staaten, des Europaparlaments und der EU-Kommission  geeinigt. So sollen die CO₂-Emissionen von Neuwagen zwischen 2021 und 2030 im Schnitt um 37,5 Prozent sinken, Zwischenziel ist ein Minus von 15  Prozent bis 2025.

Dabei müssen sich die europäischen Autobauer bereits extrem anstrengen, um den von der EU geforderten Flottendurchschnitt von 95  Gramm CO₂ pro Kilometer bis 2021 zu erreichen. Zum Vergleich: In den ersten zehn Monaten 2018 betrugen die Emissionen laut Kraftfahrtbundesamt 130  Gramm.

Was bedeutet der Brüsseler Beschluss für die deutsche Auto-Industrie? ­aktiv beantwortet Bernhard Mattes, Präsident des Branchenverbands VDA, die wichtigsten fünf Fragen.

Lassen sich der Brüsseler ­Vorgaben technisch überhaupt umsetzen?

Diese Regulierung fordert zu viel und fördert zu wenig. Niemand weiß heute, wie die beschlossenen Grenzwerte in der vorgegebenen Zeit erreicht werden können. Dadurch wird die europäische Automobil-Industrie im internationalen Wettbewerb stark belastet – und Arbeitsplätze werden gefährdet.

Übrigens sind in keinem anderen Teil der Welt vergleichbar anspruchsvolle Ziele in Sicht: Bis zum Jahr 2020 sind in den USA 121 Gramm CO2 pro Kilometer vorgeschrieben, in China 117 Gramm, in Japan nur 105 Gramm. Der Weg in die klimaneutrale Mobilität braucht alternative und synthetische Kraftstoffe, Elektromobilität und Brennstoffzelle. Deswegen sollte die Politik den Weg dahin nicht vorschreiben. Quoten oder Technikverbote weisen den Weg in die wirtschaftliche, sozial- und klimapolitische Sackgasse. Wer Klimaschutz und Indus-­triepolitik in der Balance halten will, muss dem Grundsatz der Technologieneutralität folgen.

Wie geht es weiter mit den Antriebstechniken?

Wer sich ernsthaft mit einer nachhaltigen Wirtschafts-, Verkehrs- und Klimapolitik beschäftigt, erkennt, dass der moderne Verbrennungsmotor für die weltweite Nachfrage nach Automobilen in den nächsten Jahrzehnten unverzichtbar sein wird. Das Leitmotiv für die Mobilität von morgen muss „Technologieoffenheit“ heißen. Denn nur durch ein möglichst breites Spektrum an Antriebsarten wird es möglich sein, die ambitionierten Klimaschutzziele Deutschlands und der EU zu erreichen. Die deutsche Automobil-Industrie verfolgt deswegen seit Jahren eine Fächerstrategie, die alle Optionen umfasst: die Weiterentwicklung des Verbrenners ebenso wie die Elektromobilität, Erdgas, Brennstoffzelle und die E-Fuels – das sind CO2-neutrale Kraftstoffe, die auf Basis von erneuerbarem Strom hergestellt werden.

Wie viele Milliarden fließen in die Elektroautos?

Die größten finanziellen Anstrengungen widmet die deutsche Automobil-Industrie den emissionsarmen Antriebsformen. Allein in die Elektromobilität werden deutsche Hersteller und Zulieferer bis zum Jahr 2020 rund 40 Milliarden Euro investieren. Schon heute sind über 30 Modelle mit alternativen Antrieben von deutschen Herstellern auf dem Markt. Bis 2020 werden es rund 100 sein.

Die Batteriekosten sind im Vergleich zum klassischen Verbrennungsmotor aber noch sehr hoch. Allerdings sehen wir einen klaren Trend: Diese Kosten sinken. Deshalb ist es jetzt so wichtig, dass eine leistungsfähige und flächendeckende Ladeinfrastruktur aufgebaut wird – in Deutschland und Europa.

Worauf müssen sich Hersteller und Zulieferer einstellen?

Elektromobilität und Digitalisierung bieten Herstellern und Zulieferern große Chancen, sind aber auch mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Auf der einen Seite sind zusätzliche Kompetenzen gefragt – etwa in Sachen Elektronik und rund um die Batterietechnologie. Auf der anderen Seite muss der Verbrennungsmotor weiterentwickelt werden.

Wie ist der Stand der Technik heute beim umweltfreundlichen Auto – Stichwort Diesel?

Es gibt immer mehr Dieselautos, die deutlich weniger Stickoxide ausstoßen als gesetzlich gefordert. Monat für Monat kommen mehr Fahrzeuge mit der Norm Euro 6d-temp auf den Markt – es sind jetzt 1.110 Modelle verfügbar. 631 oder 57 Prozent stammen von deutschen Konzernmarken.