Stuttgart. Satte 50 Millionen alte Autoreifen werden pro Jahr in Deutschland entsorgt. Davon wird ein Großteil geschreddert und wiederverwertet, rund ein Drittel verbrannt. Den Wertstoffkreislauf von Autoreifen schließen will jetzt Mercedes-Benz. Mehrere Hundert Tonnen Altreifen sollen dafür jährlich recycelt werden, so Markus Schäfer, Chief Technology Officer und Mitglied des Vorstands. Und zwar mit einem revolutionären Verfahren: per Pyrolyse, auch chemisches Recycling genannt.

Der Kunststoff wird ohne fossile Rohstoffe hergestellt

Mit dieser Technik entstehen aus alten Reifen Bügeltürgriffe für den Mercedes EQE und die S-Klasse, außerdem Crash-Absorber für die S-Klasse. Die sorgen für eine gleichmäßigere Kraftverteilung auf den Unfallgegner bei einem frontalen Zusammenstoß. Die Türgriffe werden noch in diesem Jahr in die ersten Serienmodelle eingebaut, künftig auch in den neuen EQE SUV. Dafür hat sich Mercedes-Benz mit BASF zusammengetan.

Mit im Boot ist auch die Pyrum Innovations AG aus Dillingen an der Saar. Dieses Unternehmen gewinnt aus Gummigranulat in einem speziellen Reaktor bei sehr hohen Temperaturen das sogenannte Pyrolyse-Öl. Das wird anschließend von BASF mit Biomethan aus Landwirtschaftsabfällen kombiniert, um daraus neuen Kunststoff herzustellen – und fossile Rohstoffe nach dem Massebilanzverfahren zu ersetzen.

„Jeder Schritt zählt, um Ressourcen zu schonen.“

Markus Schäfer, Chief Technology Officer, Mercedes-Benz

Die Pyrolysetechnik trägt zum Umweltschutz bei

Für Mercedes ist noch ein anderer Aspekt ganz wichtig: Der chemisch recycelte Kunststoff ist so hochwertig wie herkömmlicher Neukunststoff. Er lässt sich genauso lackieren und erfüllt hohe Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. In der Zukunft könnten noch viele weitere Bauteile auf diese Weise gefertigt werden, die Möglichkeiten lotet Mercedes bereits aus.

Denn die Pyrolysetechnik passt perfekt zum Ansatz „Design for Environment“, mit dem der Autobauer den Ressourcenverbrauch eindämmen möchte. „Dabei zählt jeder Schritt“, sagt Chief Technology Officer Markus Schäfer. Den Gesamtanteil an recycelten Materialien in seiner Pkw-Flotte will Mercedes-Benz bis 2030 auf 40 Prozent erhöhen. Und ab 2039 sollen Neuwagen entlang der gesamten Wertschöpfungskette CO2-neutral produziert werden.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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