Zwei Dutzend Näherinnen und Näher beugen ihre Köpfe über blauen Jeansstoff. Maschinen sirren, verbinden Nähte, nähen Gesäßtaschen auf, umranden Knopflöcher. Wir sind also vermutlich in Bangladesch, Vietnam oder Pakistan … Falsch! Diese Nähmaschinen laufen in Mönchengladbach.

„Hier werden einschichtig zunächst 400.000 Jeans pro Jahr für C&A genäht“, sagt Uwe Gansfort, Leiter der „Factory for Innovation in Textiles“ (FIT), einer Tochter des Moderiesen C & A. Später sollen es im Zwei-Schicht-System bis zu 800.000 Hosen sein. Und dabei geht es nicht um einen Marketing-Gag, sondern um Grundsätzliches: „Wir wollen zeigen, dass in Deutschland eine nachhaltige und kostendeckende Massenproduktion von Kleidung möglich ist“, sagt Gansfort, „unterstützt durch moderne Technik und digitalisierte Arbeitsabläufe.“

aktiv durfte sich schon ansehen, wie das in der Praxis funktioniert: in einer hellen, modernisierten Produktionshalle der ehemaligen Maschinenfabrik Monforts. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert ein Drittel der Energie, die anderen zwei Drittel kommen aus dem Windpark Wachtendonk.

Die ganze Belegschaft absolviert für die neuen Produktionsabläufe eine zweimonatige Schulung

In dieser Halle arbeitet zum Beispiel Anna Kinkel, die Schneiderin näht Ziernähte auf Hosentaschen. Der zugeschnittene Stoff stammt aus einem hochmodernen, etwa 20 Meter langen Cutter, der künftig von einem automatischen Magazin bestückt wird. Dieses sortiert die Jeansballen so, dass nur Stoffe mit identischen Krumpfwerten zueinanderfinden. „So verhindern wir, dass Hosenteile beim Waschen unterschiedlich einlaufen“, erklärt Gansfort.

Auch Kinkels Kollege Jawad Mohammadi wird in Zukunft digital unterstützt: Ein anderes automatisches System soll ihn mit Zutaten wie Knöpfen, Nieten oder Reißverschlüssen bedienen. „Das spart Zeit, ich kann mich dann aufs Nähen konzentrieren“, sagt er. Im Vollbetrieb werden Kinkel und Mohammad 90 Kollegen haben, die alle eine zweimonatige Schulung an der Textilakademie in Mönchengladbach absolvieren, um sich im digitalisierten Produktionsablauf zurechtzufinden.

Jede Jeansgröße, die heute bei C & A in Deutschland verkauft wird, haben wir morgen im System und können sie binnen Tagen nachproduzieren.

Auch wenn die Mönchengladbacher noch im Testbetrieb laufen, einen großen Vorteil haben sie jetzt schon: zeitnahe Produktion mit bedarfsgerechter Lieferung.

Die Modekette hat ihrer modernen Tochter garantiert, die Produktion der nächsten zehn Jahre abzunehmen.

Los geht es im Frühjahr 2022. Und wie teuer ist dann so eine Jeans made in Germany? Gansfort verspricht: „Der Preis wird weit unter 100 Euro liegen.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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