Berlin. Schluss mit der Zettelwirtschaft! Das ist zumindest der amtliche Plan der Bundesregierung. Aber das dauert noch. Viel länger als geplant. Zum Ärger vieler Unternehmen und Bürger.

Denn es besteht unbestritten dringender Handlungsbedarf, Gesetze und Verordnungen digitaltauglich zu machen. Das bestätigt der Nationale Normenkontrollrat (NKR) in seinem aktuellen Jahresbericht, der Mitte Dezember erschienen ist. Das unabhängige Beratungsgremium stellt ein denkbar schlechtes Zeugnis aus, was die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes betrifft: Von insgesamt angepeilten 575 Behördenleistungen wurden in fünf Jahren bundesweit gerade einmal 33 digitalisiert. Setzen, sechs!

Bürokratie verbrennt bei den Unternehmen einen Haufen Geld

Was für die Bürger etwa beim Anmelden eines neuen Wohnsitzes oder beim Ummelden des Autos nur zeit- und nervenaufreibend ist, stellt Betriebe vor finanzielle Probleme. „Im Durchschnitt wenden Unternehmen für Bürokratie 3 Prozent ihres Umsatzes auf. Gemessen an den Umsatzrenditen ist das gewaltig“, rechnet der NKR-Vorsitzende Lutz Goebel vor. Im Hauptberuf ist er nicht etwa ein Beamter, sondern Geschäftsführender Gesellschafter des Krefelder Mittelständlers Henkelhausen.

„Leider fehlt der politische Wille, die Situation zu verbessern.“

Lutz Goebel, Vorsitzender des Normenkontrollrats

Ineffiziente Bürokratie kostet die Unternehmen also bares Geld. Geld, das an anderer Stelle fehlt: etwa bei notwendigen Investitionen. Das schlägt zusätzlich auf die Stimmung in den Führungsetagen der Republik. Katrin Sobania, fürs Thema E-Government zuständige Referatsleiterin bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer, sagt dazu: „Ich bin eigentlich Optimistin, aber bei dem Thema nicht. Ein großes Problem ist, dass die Poweruser der Verwaltung, also die Betriebe, nicht systematisch miteinbezogen werden. Es wird viel zu wenig vom Anwender her gedacht.“

Auch der neue „Digitalcheck“ lässt noch auf sich warten

Obendrauf kommt noch der Föderalismus. Bund, Bundesländer und Kommunen operieren eigenständig. „Der Bund macht leider keine klaren Vorgaben, wenn es beispielsweise um eine einheitliche Software geht“, sagt NKR-Vorsitzender Goebel. Daher bleibe die Verwaltung ein unnötig komplizierter Flickenteppich. Der Unternehmer vermisst letztlich vor allem den politischen Willen, die Verwaltung grundlegend und zügig zu reformieren: „Man doktert lieber weiter vor sich hin.“

Als „Lichtblick“ bewertet Goebel immerhin den Digitalcheck: Alle Bundesministerien sollten ab Januar 2023 ihre Gesetzesentwürfe digitaltauglich und praxisnah gestalten. Aber auch da geht es nur schleppend voran. Ein Konzept, wie dieser Digitalcheck konkret umgesetzt werden soll, wurde vom zuständigen Bundesinnenministerium noch immer nicht vorgelegt.

Nadine Bettray
aktiv-Redakteurin

Nadine Bettray schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Sie studierte Politikwissenschaft an der Fernuniversität Hagen. Anschließend zog es sie zum Arbeitgeberverband METALL NRW in Düsseldorf. Am Journalistenzentrum Haus Busch in Hagen absolvierte sie ein Volontariat. Wenn Nadine nicht am Schreibtisch sitzt, jubelt sie Rot-Weiss Essen zu oder rennt mit ihrem Hund durch den Wald. 

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