Berlin. Das war ganz schön knapp: Erst auf den letzten Drücker haben Bundestag und Bundesrat Ende November 2022 eine Reform verabschiedet, die für die Betroffenen schon ab Januar 2023 gelten soll. Es geht vor allem um Langzeitarbeitslose und ihre Familien. Sie bekommen nach dem Jahreswechsel deutlich mehr Stütze als bisher – und dieses Geld fließt unter einem neuen Namen.

Der Begriff „Hartz IV“ soll wieder aus dem Sprachgebrauch verschwinden: Die Sozialleistung heißt jetzt „Bürgergeld“, wie es die Ampel-Regierung 2021 im Koalitionsvertrag versprochen hatte.

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung ist für die nachgeschärften Bürgergeld-Vorgaben

Damals war allerdings noch eine extrem großzügige Ausgestaltung geplant. „Wir gewähren in den ersten beiden Jahren die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens“, hieß es im Koalitionsvertrag unter anderem. Auch eine „sechsmonatige Vertrauenszeit“ ohne Sanktionsmöglichkeit sollte es geben.

Beides kommt nun jeweils anders, wenn auch erst nach heftigem politischen Schlagabtausch. Für die auf Druck der Union am Ende durchgesetzten Verschärfungen der Bürgergeld-Regeln gibt es in der Bevölkerung eine satte Mehrheit: 74 Prozent der kürzlich für das ZDF-Politbarometer Befragten „finden es gut, dass es nun doch von Anfang an strengere Regelungen geben soll“.

„Durch das Bürgergeld ändert sich ja gar nicht so viel am System“

502 Euro beträgt ab Januar 2023 der Regelsatz für einen Single. Zusätzlich werden alle Wohnkosten übernommen.

„Was jetzt beschlossen worden ist, ist im Großen und Ganzen vertretbar“, urteilt denn auch Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte am Institut der deutschen Wirtschaft. „Am System ändert sich ja gar nicht so viel. Und richtig gut ist die verbesserte Förderung der Weiterbildung.“ Auch die Entlastung der Jobcenter von bestimmten bürokratischen Vorgaben sei wichtig.

Die wesentlichen Änderungen im Überblick:

  • Leistung. Der „Regelsatz“ für einen Single steigt am 1. Januar von 449 auf 502 Euro. Paare in einer Bedarfsgemeinschaft bekommen 902 Euro im Monat. Auch für Kinder gibt es deutlich mehr Geld pro Kopf. Außerdem werden die Wohn- und Heizkosten übernommen.
  • Karenzzeit. Im ersten Jahr des Leistungsbezugs wird die Wohnungsgröße nicht überprüft. Auch kleine Vermögen spielen in dieser Zeit keine Rolle: 40.000 Euro für die erste und 15.000 Euro für jede weitere Person einer „Bedarfsgemeinschaft“ bleiben geschützt.
  • Hinzuverdienst. Wer als Leistungsbezieher einen Nebenjob annimmt, darf künftig etwas mehr vom Verdienst behalten. Schüler, Azubis und andere junge Leute in betroffenen Familien können bis zu 520 Euro monatlich dazuverdienen, ohne dass das Bürgergeld deswegen gekürzt wird.
  • Weiterbildung. Wer dazulernen will, dem wird besser geholfen. So gibt es zum Beispiel bei „abschlussbezogenen“ Weiterbildungen künftig ein „Weiterbildungsgeld“ – 150 Euro monatlich extra.

Was für die Politik noch zu tun bleibt: „Bei den Beschäftigungsanreizen sollte erneut nachgebessert werden“, fordert Experte Schäfer. Auch beim Bürgergeld werde es sich für viele Leistungsbezieher noch nicht wirklich lohnen, einen Vollzeitjob anzunehmen. Einen grundlegenden Reformvorschlag dazu möchte die Regierung aber erst 2024 vorlegen.

Übrigens: Dass der neue Begriff für die Stütze nicht sonderlich geschickt gewählt ist, hat man auch im Arbeitsministerium bemerkt. Auf seiner Website findet man unter den häufig gestellten Fragen (FAQ) auch diese: „Bekommt jeder Bürger und jede Bürgerin das Bürgergeld?“ Die Antwort lautet natürlich: „Nein.“

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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