Stuttgart. Laufen, Rad fahren, wandern – und so fort: Für die Fitness ihrer Mitarbeiter lassen sich die Metall- und Elektro-Betriebe einiges einfallen. Sportangebote und gesundes Kantinenessen gehören oft zum Standard. Und da auch die psychische Gesundheit zunehmend in den Fokus rückt, kommen immer mehr Entspannungskurse und Beratungsangebote dazu. Der Bedarf ist da. Das zeigte jetzt eine Studie der Hochschule Aalen, für die DAK-Daten der letzten zehn Jahre ausgewertet wurden: Immer öfter fallen Beschäftigte wegen psychosomatischer Beschwerden, Depressionen oder Angststörungen aus.

Sie sorgen für frische Kantinenkost: Das Küchenteam des Caterers Aramark kocht bei Blanc & Fischer am Standort Oberderdingen.

Berufstätige werden seltener depressiv

Daran muss nicht unbedingt der Job schuld sein. Arbeit kann zwar stressen, hat aber auch einen positiven Effekt: Das Risiko, depressiv zu werden, ist für Berufstätige deutlich geringer als für Erwerbslose. Auch gut zu wissen: In der Industrie gibt es seltener Fehltage wegen psychischer Belastungen als in vielen anderen Branchen.

aktiv hat bei den Unternehmen Hobart und Blanc & Fischer nachgefragt, was sie so alles für die Gesundheitsförderung tun und wie die Mitarbeiter das Angebot annehmen.

Hobart: Der gemeinsame Sport schweißt sie enger zusammen

Diesen Mann aus der Vorentwicklung kennen beim Unternehmen Hobart in Offenburg so einige Kollegen – egal ob in der Produktion, im Vertrieb oder auch ganz woanders: Matthias Kuderer (34), den Fahrrad-Freak! Er leitet die Rad-Betriebssportgruppe, im Bild oben steht er mit Helm in der hinteren Reihe. Der Mountainbiker liebt es, die sportlichen Feierabend-Touren immer mehr Kollegen schmackhaft zu machen. Und: Es gelingt ihm.

Bei Hobart, einem Spezialisten für gewerbliche Spültechnik, gibt es gleich mehrere Sportgruppen, für Läufer, Fußballer, Schwimmer und eben Radfahrer. Die Radgruppe gründete Kuderer 2015. „Anfangs waren wir 10 Leute“, erzählt er, „heute sind wir 45!“ Immer wieder schwingen die Kollegen sich um 16.30 Uhr auf ihre Räder, in der Anfänger- oder der Leistungsgruppe, mit Motor am Rad oder ohne. Nach dem Training kehren sie oft noch zusammen ein. Das nützt auch dem Miteinander im Betrieb, findet Kuderer: „Dadurch ist die Hemmschwelle viel niedriger, wenn man mal mit Kollegen aus anderen Abteilungen zu tun hat.“

Jeder gelaufene Kilometer bringt einen Euro für einen guten Zweck

Die Sportgruppen sind Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements und werden von der Geschäftsführung gefördert. Die Chefs belohnen beispielsweise jeden geradelten Kilometer mit 50 Cent und jeden gelaufenen mit einem Euro – im vergangenen Jahr kamen bei 34 Feierabend-Radtouren und 46 Läufen insgesamt 3.436 Euro zusammen. Der Betrag wurde von der Unternehmensführung noch aufgestockt auf 4.000 Euro. Das Geld spendeten die Radler und Läufer Anfang des Jahres an gemeinnützige Einrichtungen: an den Verein Leben mit Behinderung Ortenau und den Schulkindergarten Wunderkind. „Darauf sind wir Sportler stolz“, sagt Kuderer, „und dass das Unternehmen die Gruppen unterstützt, motiviert auch viele, mitzumachen.“

Die Sportler bekommen zudem jedes Jahr ein Budget, das die Radler letztes Jahr etwa für ein Hütten-Wochenende auf dem Feldberg ausgaben. Daneben gibt es Aktionen wie einen kostenlosen Fahrrad-Check-up oder ein Techniktraining. Das kommt gut an: Immer mehr Kollegen schließen sich den Sportgruppen an. Noch ziemlich neu ist übrigens die Schwimmergruppe – deren Teilnehmer ziehen schon um 6.30 Uhr ihre Bahnen, noch vor der Arbeit.

Sie sind stolz, das Firmen-Trikot bei Wettbewerben zu tragen

Fürs Unternehmen hat der Betriebssport in mehrerlei Hinsicht einen positiven Effekt. Die Mitarbeiter sind fitter. Und Hobart wird in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, denn: Die Betriebssportler treten bei Wettbewerben an und repräsentieren dort ihr Unternehmen. Zum Beispiel bei „Rad am Ring“ am Nürburgring oder beim Firmenlauf in Offenburg. Lara Zürn (27), die Leiterin der Laufgruppe, stellt fest: Das macht viele Kollegen stolz. „Sogar einer unserer Servicetechniker im Norden wollte unbedingt für sich und seine Tochter Hobart-Trikots, um unser Unternehmen bei einem Wettkampf zu promoten.“

Blanc & Fischer: Bewegung, gutes Essen und Coaching

Am Wochenende ist Christina Kesel wieder gewandert. Unter der Woche ist sie als Konstrukteurin bei der B.PRO-Gruppe tätig, die Kochstationen und andere Produkte für Caterer herstellt und wie Blanco und E.G.O. zur Blanc & Fischer Familienholding aus Oberderdingen gehört. Das Wandern bringt „Bewegungsminuten“ für die „BeActive Challenge“. Die Aktion gibt es firmenweit, seit drei Jahren, immer im Frühjahr. Sechs Wochen lang können Mitarbeiter-Teams die Bewegungsminuten sammeln und bei Sibylle Voswinkel abliefern, der Leiterin des Gesundheitsmanagements.

Wie die Minuten genau zusammenkommen, das steht den Teams frei. Voswinkel erklärt: „Wir möchten unsere Mitarbeiter zu mehr Bewegung animieren und ihnen helfen, Stress abzubauen. Es gilt alles, was zusätzliche Bewegung in den Alltag bringt – wandern, schwimmen, Rad fahren oder spazieren gehen. Nur keine Haus- oder Gartenarbeit.“ Jede Woche macht sie eine Aufstellung der Minuten pro Team. „Das ist für alle ein extra Ansporn.“

14 Sportgruppen, Skiausfahrten, Turniere und mehr

Am Ende werden alle Minuten zusammengezählt und umgemünzt in eine Spende an ein Kinderzentrum im nahen Maulbronn. Die Challenge kommt immer besser an: „Dieses Jahr haben wir eine Rekordbeteiligung von insgesamt rund 160 Personen in 16 Teams aus allen Unternehmensbereichen“, sagt Voswinkel zufrieden. Mit ihrem Team organisiert sie ein stattliches Programm: Es gibt 14 verschiedene Sportgruppen, Trainingsstunden und Kurse, Wanderungen und Skiausfahrten, außerdem die Veranstaltung von Turnieren und die Firmenteilnahme an Laufevents. „Ich nutze die Angebote immer wieder gern“, sagt Christina Kesel. Im Kurs „Relaxt durch den Alltag“ hat sie zum Beispiel Methoden zur Entspannung und Stressminderung kennengelernt, zurzeit übt sie sich in Selbstverteidigung.

Die Kantine hat einen richtigen Pizzaofen

Da Gesundheit durch den Magen geht, ist auch die Versorgung in der Kantine ein wichtiger Baustein. Stefan Burkhardt, Leiter Unternehmenskommunikation und erst seit einem halben Jahr bei Blanc & Fischer, ist beeindruckt: „Wir haben ein tolles Küchenteam, das immer hochwertig und mit frischen Zutaten kocht.“ Sogar einen richtigen Pizzaofen hat die Küche – und eine Maschine für selbst gemachte Nudeln!

Täglich frische Mahlzeiten direkt aus der Küche gibt es auch in den „GenießBars“. 16 dieser Automaten sind über die verschiedenen Gelände am Standort Oberderdingen verteilt. So hat jeder Beschäftigte einen in der Nähe, auch die Mitarbeiter in der Produktion. Die schaffen es ja oft nicht in die Kantine, weil sie kürzere und oft aufgeteilte Pausenzeiten haben. Auch Christina Kesel schätzt das Angebot der Automaten: „Hier kann man sich schnell etwas holen, wenn es mal nicht gereicht hat, von zu Hause oder unterwegs etwas mitzubringen.“

Psychologische Unterstützung durch externe Partner

Aber nicht nur für das leibliche Wohl ist gesorgt. Seit 2015 arbeitet das Unternehmen mit einer Psychologin zusammen, die auf arbeitsbezogene Themen spezialisiert ist. Ein Termin kann kurzfristig und vertraulich über den Betriebsarzt gebucht werden. Für private Sorgen gibt es außerdem eine 24-Stunden-Hotline zum pme-Familienservice, einem externen Ratgeberpartner. „Das funktioniert sehr gut“, weiß Voswinkel, „wir bekommen oft positive Rückmeldungen aus der Belegschaft.“

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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