Nürnberg. Praktika: Fehlanzeige. Kontakte zu Unternehmen: höchstens online. Ausbildungsmessen: abgesagt. Die coronabedingten Einschränkungen verlangen Bewerbern einiges ab – und das gilt besonders für Schulabgänger.

Der Prozess des Zusammenkommens von jungen Leuten und Betrieben habe im vergangenen Jahr nur sehr eingeschränkt funktioniert, erklärt Bernd Fitzenberger, der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Es ist sehr bedauerlich, dass junge Menschen 2020 wenige Chancen hatten, sich in den Betrieben beruflich zu orientieren.

„Die Pandemie hat auch daher beträchtliche Bremsspuren auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen.“

Das zeigt schon die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Zwischen 2010 und 2019 gab es da lediglich einen milden Abwärtstrend, 2020 dann den massiven Einbruch: Mit knapp 470.000 Verträgen wurden 57.000 weniger abgeschlossen als 2019, ein Minus von 11 Prozent.

Besondere Bedingungen: Auszubildende arbeiten am Schraubstock bei offenem Fenster – Corona Schutzmaßnahmen im Unterricht in der Berufsschule.

Die Nachfrage nach Lehrstellen sank stärker als das Angebot

Besonders betroffen waren Branchen, die auch sonst stark mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen hatten. So sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum Tourismuskaufmann um knapp 60 Prozent, die der zur Hotelfachkraft um fast 30 Prozent. Bei den Lehrberufen in Industrie und Handel gab es ein Minus von knapp 14 Prozent.

Was Fitzenberger im Gespräch mit aktiv betont: Ja, Firmen haben ihr Lehrstellenangebot reduziert – „das gilt besonders für schwer von der Krise betroffene Branchen und auch für kleinere Betriebe im Handwerk“. Aber: Die Zahl der Bewerber um Lehrstellen ging sogar noch stärker zurück als das Angebot.

„Im Herbst waren bundesweit noch knapp 60.000 Lehrstellen nicht besetzt“, sagt der IAB-Direktor. „Verantwortlich dafür sind neben der Krise der demografische Wandel und das schwindende Interesse an einer dualen Ausbildung.“ Es gibt weniger Schulabgänger – und die bringen vermehrt das Abi mit und interessieren sich oft eher für ein Studium. Immerhin deuten Prognosen darauf hin, dass die Zahl der Schulabgänger in den nächsten Jahren nicht noch weiter sinken und um die 800.000 pro Jahr pendeln wird.

Was aber ist mit denen, die 2020 den Übergang ins Berufsleben nicht geschafft haben? „Viele dieser Jugendlichen gehen zumindest vorerst weiter zur Schule“, sagt Fitzenberger. Sie treffen nun bald auf den nächsten Jahrgang – und viele Maßnahmen zur Berufsorientierung liegen weiterhin auf Eis: „Es besteht die Gefahr, dass der Ausbildungsmarkt weiter zurückgeworfen wird.“

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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