Die Neuntklässler der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule in Hagen waren gerade zwei Wochen im Praktikum, da war Feierabend. „Die letzte Woche fiel weg. Es gab auch noch keine Nachbesprechung“, sagt Jürgen Lohse von der Studien- und Berufsorientierung der Schule. Die Ausbildungsmesse: ausgefallen. Dabei müsste es jetzt verstärkt an die Suche nach einem Ausbildungsplatz gehen, ans Schreiben von Bewerbungen. „Alle hängen so ein bisschen im luftleeren Raum“, bedauert Lohse.

Praxisnahe Angebote sind ausgefallen

Damit sind die Hagener nicht allein. Berufsfelderkundungstage, Girls’-,Tec- und Eltern-Days, Ausbildungsbörsen, Praktika – die bewährten praxisnahen Elemente der Berufsorientierung sind in diesem Frühjahr komplett weggefallen.

Die Zehntklässler trifft das nicht ganz so hart – viele Ausbildungsplätze waren schon vergeben. Aber wie können die Acht- und Neuntklässler auf den Weg gebracht werden? Und wie kommen die Unternehmen an die Jugendlichen heran? Was nachgeholt werden kann, ist noch unsicher.

Unternehmen suchen online den Kontakt zu den Jugendlichen

Unter dem Namen „vdm-karriereschmiede“ ist das Werdohler Unternehmen VDM Metals schon seit einiger Zeit auf Instagram und Facebook vertreten, um zukünftigen Auszubildenden tiefere Einblicke in die VDM-Welt zu geben. Die Social-Media-Kanäle werden von Auszubildenden betreut – „vielleicht nicht immer so perfekt wie von einer Agentur, aber sehr gut und vor allem authentisch“, sagt Sven Haarhaus, Referent Personalentwicklung. Das Homeschooling brachte eine neue Idee: In der VDM Business Challenge spielen Schüler und Schülerinnen am Burggymnasium Altena virtuell ein Unternehmensplanspiel, in dem sie die Rolle eines Geschäftsführers übernehmen.

Der persönliche Kontakt bleibt wichtig

So zukunftsträchtig es auch ist, kann das digitale Angebot den persönlichen Kontakt jedoch nicht komplett ersetzen, so die Einschätzung zahlreicher Experten aus der Berufsorientierung. „Es setzt viel Eigeninitiative voraus. So erreicht man nur einen Teil der Schüler“, weiß Jürgen Lohse. Ähnlich sieht es Karin Gabriel vom Kompetenzzentrum Berufsorientierung Plettenberg (KBOP) der Zeppelinschule.

Dort zahlt sich das eng geknüpfte Netzwerk aus: „Der Stundenplan für den fachgebundenen Unterricht nach den Sommerferien steht.“ Ausbilder aus zehn Unternehmen – „alle sind wieder dabei“ – übernehmen jeweils einmal pro Woche praxisnah den Mathe-, Physik- oder Technikunterricht. Es ist eines von vielen Berufsorientierungs-Steinchen. Sollte eins umfallen, bleiben andere stehen. „Dann müssen wir eben flexibel neue Wege suchen“, sagt Karin Gabriel optimistisch. Von vielen Unternehmen in Plettenberg weiß sie, dass die mitziehen: „Sie denken langfristig.“

Ausbildungsmesse online

  • Was persönlich am Stand aktuell nicht klappt, soll in diesem Jahr virtuell laufen. Die Veranstalter der Ausbildungsmessen im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis, bei denen der MAV im Unterstützerkreis sitzt sowie Sponsor ist, planen, Anfang Oktober mit einem digitalen Angebot ins Netz zu gehen. Ob ein oder zwei Tage, ob alle Städte dabei sind, mit regionalen und/oder Berufsfeld-Filtern: An den Details wird ebenso wie an der Finanzierung noch gearbeitet.
  • Nutzen möchten die Veranstalter die Plattform Stuzubi Digital. Die Stuzubi GmbH ist seit 1993 bundesweit im Bereich Berufsorientierung unterwegs und hat im April in Stuttgart erstmals eine Karrieremesse digital durchgeführt. Auf der Plattform bekommen Firmen einen virtuellen Raum, in dem sie sich vorstellen können. Die Jugendlichen können per Video- oder Text-Chat mit Ausbildern und Azubis direkt in Kontakt treten. Virtuelle Vorträge sind möglich.
  • Thomas Haude, Sprecher für „Karriere im MK“, hofft, dass trotz der sehr unterschiedlichen technischen Ausstattung der Schulen die virtuelle Messe gut ankommt. Per Video sollen die Schüler vorbereitet werden. Daneben denke man im Ennepe-Ruhr-Kreis über kleinere Präsenzveranstaltungen nach, so Katja Kamlage von der Wirtschaftsförderungsagentur Ennepe-Ruhr, denn alle nicht Jugendlichen und Unternehmen werde man virtuell erreichen können.
  • Bereits jetzt können Jugendliche sich über Ausbildungschancen in Plettenberg und Umgebung informieren. Die Broschüre zur (ausgefallenen) Messe liegt in gedruckter Form vor und lässt sich auch im Internet unter stadtmarketing-plettenberg.de downloaden.

Berufs-Infos im Netz

  • Einen anschaulichen Einblick in die Welt der Metall- und Elektroberufe bietet die Internetseite ausbildung-me.de.
  • Was macht ein Industriemechaniker? Woran arbeitet der Produktionstechnologe? Was verdient ein Maschinen- und Anlagenführer? Mehr als 30 Berufe vom Anlagen- bis zum Zerspanungsmechaniker werden vorgestellt. In einem virtuellen Automobil-Unternehmen können sich die Jugendlichen die Berufe dort ansehen und Aufgaben erledigen. Dazu gibt es Infos und Tipps zu Bewerbung und Karriere. Und: Nach Eingabe der Postleitzahl kann man sich über offene Ausbildungsstellen in der Region informieren.
  • Die Webseite me-vermitteln.de spricht besonders Lehrkräfte und Eltern an. Sie stellt unter anderem Unterrichtsmaterialien für den Berufskunde- und MINT-Unterricht zur Verfügung, die auch für das Homeschooling geeignet sind.
  • Direkt mit in die Betriebe nimmt die Jugendlichen Falk Schug mit seinen Videos der #followfalk-Reihe.
Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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