Nürnberg. Selbst wenn die Wirtschaft unter dem zweiten Corona-Winter ächzt: Junge Menschen haben attraktive Berufsausbildungs-Chancen. Das gilt auch für Jugendliche, die derzeit noch eine Lehrstelle suchen. Denn der Fachkräftebedarf wächst. Auch in diesem Jahr gibt es deutlich mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unvermittelte Interessenten – inzwischen zum 14. Mal in Folge.

Zum Start ins Ausbildungsjahr am 30. September haben Industrie und Handel bundesweit fast 261.000 neue Azubis eingestellt (+0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr), das Handwerk kam auf 127.000 (+2,7 Prozent). Der Durchhänger im Pandemie-Jahr 2020 ist damit Geschichte.

Also alles wieder in Butter auf dem Ausbildungsmarkt? Von wegen. Denn die Zahl der Bewerber sinkt bereits seit fünf Jahren rapide.

Panorama mit großer Gruppe von vielen Leuten verschiedener Berufe

Und so kommt es, dass in diesem September sage und schreibe 40 Prozent aller Lehrstellen noch unbesetzt waren. Ein neuer Rekordwert. Das ergab eine bundesweite Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesagentur für Arbeit gehört.

Besonders groß waren die Besetzungsprobleme laut IAB bei kleineren Betrieben (49 Prozent freie Plätze) und in der Bauwirtschaft. Großbetriebe konnten „nur“ 29 Prozent ihrer Ausbildungsstellen nicht besetzen.

Geeignete Bewerber fehlen – auch, weil Corona die Nachwuchswerbung erschwerte

Das Nürnberger IAB hat die Unternehmen auch nach den Gründen für diese einschneidende Entwicklung gefragt. Die Antwort: Vor allem fehlen geeignete Bewerber.

Das war schon früher der große Knackpunkt am Ausbildungsmarkt – mit Ausnahme von 2020: Im ersten Corona-Winter nannten die meisten Unternehmen noch finanzielle Probleme und unsichere Geschäftserwartungen als Hauptursachen für den damaligen Rückgang bei den Ausbildungsverträgen. Was eigentlich kein Wunder war, angesichts von Lockdowns und Umsatzeinbrüchen im vorigen Jahr.

Hinzu kamen Schwierigkeiten bei der Nachwuchswerbung: Die Pandemie erschwerte die Berufsberatung, Schülerpraktika und andere Angebote zur Berufsorientierung. Digitale Info-Möglichkeiten konnten diese Einschränkungen nur zum Teil ausgleichen.

Inzwischen haben sich die Bedingungen für Betriebe und Bewerber, zueinanderzufinden, wieder gebessert. Trotzdem zögern viele Jugendliche noch mit dem Schritt ins Berufsleben. Dabei ist das Ausbildungsplatzangebot ebenso zahlreich wie vielfältig: Insgesamt gibt es aktuell 324 unterschiedliche duale Ausbildungsberufe. Da ist wohl für jeden etwas dabei.

Den Betrieben gehen auch erfahrene Experten verloren

Auch auf längere Sicht sind die Zukunftsperspektiven für junge Leute gut. Das liegt nicht zuletzt daran, dass den Betrieben zusehends erfahrene Experten fehlen. Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft unterstreichen das: Demnach werden hierzulande jedes Jahr allein 280.000 MINT-Facharbeiter gebraucht, um nur die zu ersetzen, die bis zum Jahr 2033 in Rente gehen (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).

Eigentlich ist das kein neues Thema. Doch die Corona-Pandemie hatte zeitweise den Blick darauf verstellt. Das hat sich inzwischen wieder komplett geändert, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK): „Der Fachkräftemangel in den Betrieben ist zurück: schneller und in größerem Umfang als von vielen erwartet.“ Noch stärker gesucht als Akademiker sind Mitarbeiter mit dualer Berufsausbildung, betont auch der DIHK.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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