Berlin/Köln. Nehmen wir mal Joe Kaeser: Der Sohn eines Schichtarbeiters aus dem Bayerischen Wald brachte es bis zum Siemens-Boss. Ein extremes Beispiel, sicherlich – aber solche Wege in Führungspositionen gibt’s bei uns jede Menge. Und wie lautet das wichtigste Erfolgsrezept? Die Antwort ist einfach: Bildung, Bildung, Bildung!

Aufstieg durch Lernen, das ist ein Kernelement unserer Gesellschaft. Die persönlichen Chancen verbessern sich da gerade wieder. Auch, weil die Politik noch mehr anschieben will.

Wer mehr kann, verdient mehr

Zunächst sollte man wissen: Dass mehr Können in aller Regel mehr Lohn bedeutet, ist ein klares Ergebnis der Bildungs- und Arbeitsmarktforschung. Im Durchschnitt bringt ein Fortbildungsabschluss etwa zum Meister oder Techniker einen Einkommensvorsprung von 24 Prozent im Vergleich zur Fachkraft. Das haben Experten am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln errechnet.

Und: Dass dem Einzelnen der Weg zu mehr Wissen möglichst offenstehen soll, ist ein erklärtes Ziel unseres Wirtschaftssystems. Jedem die Chance auf einen Bildungsstand zu ermöglichen, der der Leistungsfähigkeit entspricht – das ist die sogenannte Chancengerechtigkeit.

Einfluss des Elternhauses lässt nach

Da gibt es zwar noch einiges zu tun, wie internationale Vergleiche zeigen. Der persönliche Bildungserfolg hängt bei uns immer noch zu stark vom Elternhaus ab. Aber dieser Einfluss des familiären Hintergrunds ist seit 2000 etwas geringer geworden.

Das zeigen zum Beispiel die Erkenntnisse über Neuntklässler aus den Pisa-Studien. Oder der gestiegene Anteil von Kindern nicht studierter Eltern, die einen Hochschulabschluss schaffen. Dass es an den Unis immer mehr Akademikerkinder gibt, steht dazu nicht im Widerspruch: Es ist logische Folge des insgesamt stetig steigenden Bildungsniveaus.

Nach jüngsten Auswertungen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Hannover kam 2016 fast jeder zweite Studienanfänger aus einem Nichtakademikerhaushalt. Bildungsaufstieg ist also nach wie vor ganz normal. Wobei ja klar ist, dass die Dynamik da inzwischen nicht mehr so groß sein kann wie nach den umwälzenden Bildungsreformen der 1970er Jahre.

IW-Forscher können den Erfolg konkret vorrechnen. So haben Erwachsene mittleren Alters im Vergleich zu ihren Eltern unterm Strich etwas bessere Berufsabschlüsse. Auch Niedriglohnempfänger haben bei uns „durchaus nennenswerte Aufstiegschancen“ – ein Indiz dafür: 58 Prozent der Menschen, die im Jahr 2004 als armutsgefährdet galten, waren das 2014 nicht mehr. Und weniger junge Menschen als früher bleiben auf Dauer ohne Ausbildung. „Ein mindestens mittlerer Bildungsabschluss“, so betont man beim IW, „schützt vor sozialem Abstieg.“

Lebenlanges Lernen wird wichtiger: Die Quote der Betriebe, die Geld für die Weiterbildung ihrer Leute ausgeben, ist deutlich höher als 2001. Ebenso die Quote der Mitarbeiter, die an solchen Maßnahmen teilnehmen. Geringqualifizierte profitieren davon übrigens stärker als früher; inzwischen beteiligen sich vier von zehn Ungelernten an Kursen und Schulungen.

In den nächsten Jahren könnten die Chancen, durch Bildung persönlich aufzusteigen, noch besser werden. Das liegt einfach am Fachkräftemangel. Zudem bringt die Regierung vieles auf den Weg: Das Berufsbildungsgesetz soll reformiert werden, Förderprogramme wie das „Aufstiegs-Bafög“ werden deutlich ausgebaut – und so weiter und so fort. Welche ganz unterschiedlichen (und oft kaum bekannten) Fördermittel und -maßnahmen es schon heute für ganz normale Beschäftigte gibt, erklären wir am Ende des Artikels, jeweils mit weiterführenden Links.

In Zeiten der Digitalisierung nimmt die Bedeutung des Themas sogar noch zu. „Wir brauchen eine Kultur der immer neuen Chancen“, betonte Bildungsministerin Anja Karliczek kürzlich, „es geht darum, dass jeder sich immer wieder verändern und qualifizieren kann – egal, wo er gerade steht.“

Chance für Ungelernte: Die Teilqualifizierung

  • Ungelernte schrittweise und vor allem nachweisbar voranbringen: Darauf setzen zum Beispiel die Bildungswerke der Wirtschaft mit ihrer Arbeitgeberinitiative Teilqualifizierung (TQ).

  • Der Lernstoff eines anerkannten Ausbildungsberufs wird – nach von der Bundesagentur für Arbeit vorgegebenen Kriterien – in fünf bis acht Module aufgeteilt.

  • Jedes Modul lässt sich einzeln abhaken, in Vollzeit oder berufsbegleitend, und endet mit einer Kompetenzfeststellung nebst Zertifikat.

  • Solche Module gibt es inzwischen schon für mehr als 20 Ausbildungsberufe, vom Fachlageristen bis zum Mechatroniker.

  • Per TQ können Betriebe ihre geringqualifizierten Kräfte zielgerichtet weiterbilden, Zeitarbeitsunternehmen ihr Personal in verleihfreien Zeiten weiterqualifizieren.

  • Hat man sämtliche Module eines Berufs geschafft, ist die Anmeldung zur Externenprüfung möglich.

nachqualifizierung.de

Berufsabschluss nachholen: Die Externenprüfung

  • Einen Berufsabschluss kann man auch ohne förmliche Ausbildung im Betrieb erlangen: mit der sogenannten Externenprüfung etwa bei der örtlichen Industrie- und Handelskammer.

  • Die Kandidaten nehmen als „Externe“ an der normalen Gesellen- oder Abschlussprüfung für einen anerkannten Ausbildungsberuf teil.

  • Allein im Jahr 2016 haben fast 22.000 Menschen auf diese Weise ihren Abschluss geschafft. Rund 6.000 weitere Kandidaten bestanden die Prüfung nicht – die ist nämlich keine Formsache.

  • Vielfach werden daher spezielle Vorbereitungskurse angeboten.

Geld fürs Dazulernen: Die Bildungsprämie

  • Erwerbstätige mit geringem Einkommen können sich eine Weiterbildung mithilfe der Bildungsprämie finanzieren. Seit Sommer 2017 sind die Regeln großzügiger, unter anderem gibt es jetzt keine Altersgrenzen mehr.

  • Zum Programm gehört ein Prämiengutschein: Der Staat übernimmt damit die Hälfte der Kursgebühren (höchstens aber 500 Euro). Auch Sprach- oder EDV-Kurse sind förderfähig.

  • Diesen Gutschein gibt es jährlich. Als Single bekommt man ihn bis zu einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 20.000 Euro.

bildungspraemie.info

Staat hilft beim zweiten Abschluss: Das Aufstiegs-Bafög

  • Meisterin werden oder Fachwirt, Technikerin oder Fachkaufmann: Für Aufstiegsfortbildungen gibt es das Aufstiegs-Bafög. Es ist eine erhebliche finanzielle Hilfe, die aus vielen einzelnen Posten besteht.

  • Um die 160.000 Menschen profitieren aktuell von dieser Subvention.

  • Während zum Beispiel die Lehrgangsgebühren immer gefördert werden, ist die Bezuschussung des Lebensunterhalts während einer Vollzeit-Fortbildung abhängig vom persönlichen Einkommen und Vermögen.

  • Es gibt keine Altersgrenze. Das Aufstiegs-Bafög kann sogar beantragen, wer schon einen Bachelor-Abschluss in der Tasche hat.

aufstiegs-bafoeg.de

Zugang zur Hochschule: Das Studium ohne Abi

  • Ohne Hochschulreife studieren – das geht immer besser: Rund 8.000 von insgesamt 19.000 Studiengängen an deutschen Hochschulen stehen inzwischen auch Menschen ohne (Fach-)Abi offen.

  • Wie das gemeinnützige Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh weiter mitteilt, nutzen derzeit rund 57.000 Menschen diese Chance.

  • Das CHE bietet in seinem Portal zum Thema jede Menge Informationen und einen praktischen „Qualifizierungs-Check“: Mit ein paar Klicks erfährt man, welche berufliche Bildung und Erfahrung in welchem Bundesland welche Studiumsmöglichkeit bringt.

  • Achtung: Die Kosten eines Studiums, das früher oder später auf den ersten Berufsabschluss folgt, sind steuerlich absetzbar. Verbleibt ein Verlust, kann dieser in spätere Steuerjahre vorgetragen werden.

studieren-ohne-abitur.de

Fördergeld für Berufstätige: Das Weiterbildungs- und das Aufstiegsstipendium

  • Die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung (SBB) in Bonn betreut zwei wenig bekannte Förderprogramme für Berufstätige.

  • Das Weiterbildungsstipendium kann man als junge Fachkraft mit belegt guten Leistungen bekommen. Heißt zum Beispiel: mindestens 87 Punkte (beziehungsweise Durchschnittsnote 1,9 oder besser) in der Abschlussprüfung. Man darf in der Regel höchstens 25 Jahre alt sein.

  • Für das Aufstiegsstipendium, das das Studium fördert, kommt ebenfalls nur infrage, wer „besondere Leistungsfähigkeit in Ausbildung und Beruf“ beweist. Außerdem sind für die Bewerbung mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nötig.

weiterbildungsstipendium.de und aufstiegsstipendium.de

Kostenlose Beratung: Das Info-Telefon

  • Das Bildungsministerium hilft Lernwilligen mit einer kostenlosen Hotline.

  • Unter 0800 - 2017 909 kann man sich in Sachen Weiterbildung qualifiziert beraten lassen, und zwar montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr.

  • Auch per Web-Formular kann man Kontakt mit den Beratern aufnehmen.