Für die berufliche Entwicklung haben Arbeitszeugnisse eine große Bedeutung. Dort finden sich nicht nur Angaben darüber, was die bisherigen Tätigkeiten eines Arbeitnehmers betrifft, sondern auch darüber, wie er im Unternehmen zurechtgekommen ist und wie zufrieden sein Arbeitgeber mit ihm war. Was Chefin oder Chef ins Zeugnis schreiben dürfen und ob es Geheimcodes gibt, hat aktiv eine Arbeitsrechtlerin gefragt.

Was ein Arbeitszeugnis alles enthalten sollte

Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hat eine feste Reihenfolge, erklärt die Kölner Rechtsanwältin Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein. Am Anfang steht die Beschreibung der Tätigkeiten des Mitarbeiters. Dann folgt die Bewertung des Fachwissens und der Arbeitsleistung. Ist die Stelle mit Personalverantwortung verbunden, wird anschließend das Führungsverhalten beurteilt. Die Einschätzung des persönlichen Verhaltens schließt sich an. Das Zeugnis endet dann mit einer Schlussformel.

Immer mal wieder kommt es zum Streit zwischen Unternehmen und Ex-Mitarbeiter über des Text des Zeugnisses. Denn der Arbeitergeber ist zwar grundsätzlich gehalten, eine wohlwollende Beurteilung abzugeben, sie muss aber auch der Wahrheit entsprechen, und das ist nicht immer leicht in Einklang zu bringen. Daher sind bestimmte Formulierungen gang und gäbe, die regelmäßig verwendet werden und feststehende Bedeutungen haben.

Wie Noten in der Schule

Die zusammenfassende Leistungsbeurteilung folgt dabei dem Schulnotensystem, erklärt Oberthür:

  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit“: Wer das im Zeugnis stehen hat, kann stolz auf sich sein – Note Eins.
  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit“ oder „stets zur vollen Zufriedenheit“: Das ist nur geringfügig anders, aber schon eine Note schlechter, nämlich eine Zwei.  
  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben zur vollen Zufriedenheit“: Das wäre noch im Zweier- oder guten Dreier-Bereich.
  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben stets zur Zufriedenheit“: Schon ein bisschen dürftig, aber immer noch eine Drei. 
  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben zur Zufriedenheit“ entspricht einem Ausreichend.
  • „Er oder sie erfüllte seine/ihre Aufgaben im Großen und Ganzen zur Zufriedenheit“: Scheint besser zu sein, als es ist, nämlich mangelhaft. 
  • „Er oder sie hat sich bemüht“: Setzen, Sechs!

Leistungs- und Verhaltensbeurteilung: Hier können zweideutige Formulierungen versteckt sein

Von großer Bedeutung sind insbesondere die Leistungs- und die Verhaltensbeurteilung. Formulierungen, die eine sehr gute Leistung attestieren, sind etwa: „Er oder sie verfügt über hervorragende und fundierte Fachkenntnisse“ oder „Wir waren mit den Leistungen in jeder Hinsicht außerordentlich zufrieden“. Die Bescheinigung lediglich „solider Fachkenntnisse“ entspricht dagegen nur dem Dreierbereich. Das gilt ebenfalls für die Formulierung: „Mit den Leistungen waren wir jederzeit zufrieden.“ Wenn sich jemand aber „im Rahmen der Fähigkeiten eingesetzt“ hat – dann ist es mit diesen nicht allzu weit her. Auch der Ausdruck „Wir haben ihn als guten Mitarbeiter kennengelernt“, birgt eine Falle: Das bedeutet schlicht, dass der Betreffende anfänglich überzeugen konnte, später aber nicht mehr.

In der Verhaltensbeurteilung gibt es ebenfalls zweideutige Formulierungen. War etwa jemand „sehr gesellig“, hat er zwar gern geplaudert, aber wenig gearbeitet, so Oberthür. Oder wird der ehemaligen Mitarbeiterin bescheinigt, immer gut mit allen zurechtgekommen zu sein, ist das nicht etwa der Hinweis auf eine umgängliche und freundliche Art, sondern darauf, kein Rückgrat zu haben.

Die Schlussformel rundet das Zeugnis ab

Auch die sogennante Schlussformel ist von großer Bedeutung; fehlt sie, zeigt das gleich, dass es sich um eine schlechte Beurteilung handelt, erklärt Juristin Oberthür: „So ein Zeugnis ist wertlos.“ Auch die Schlussformel hat in der Regel feste Bestandteile: So sollten sowohl der Grund für die Trennung wie das Bedauern darüber sowie gute Wünsche für die Zukunft enthalten sein. Ebenso wird dem früheren Angestellten bei einer positiven Schlussformel üblicherweise für seine Arbeit gedankt.

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Hat der Arbeitnehmer selbst gekündigt, sollte dort stehen: „Er oder sie verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch.” Bei einer Kündigung durch die Firma sollten betriebsbedingte Gründe genannt werden und nicht etwa „im gegenseitigen Einverständnis“, was auf einen Kündigungsgrund schließen lässt, der in der Person des Angestellten liegt.

Ebenso wichtig ist, dass „alles Gute für die Zukunft“ und „weiterhin viel Erfolg“ gewünscht wird – ohne das Weiterhin wäre das ein Zeichen für den ausgebliebenen Erfolg im bisherigen Arbeitsverhältnis.

Auf die Schlussformel haben Arbeitnehmer allerdings keinen Anspruch, so die Expertin: „Sie kann nicht eingeklagt werden, wenn sie fehlt.“

Was nicht im Zeugnis erwähnt werden darf

Manches hat hingegen im Arbeitszeugnis nichts verloren: „Krankheitsbedingte Fehlzeiten, Aussagen zum Gesundheitszustand, Schwangerschaft und Elternzeit dürfen in der Regel im Zeugnis nicht thematisiert werden“, sagt Oberthür. Auch eine Mitgliedschaft bei einer Partei, einer Gewerkschaft oder im Betriebsrat dürfen nicht erwähnt werden, ebenso wenig eventuelle Straftaten des Angestellten – sofern sie nicht etwas mit dem Arbeitsverhältnis zu tun haben.

Wer mit seinem Arbeitszeugnis nicht einverstanden ist, muss bessere Leistungen nachweisen

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer Anspruch auf ein befriedigendes Zeugnis, entschied das Bundesarbeitsgericht. „Bekommen sie ein schlechteres, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die Leistung nicht wenigstens im Dreierbereich war“, erläutert Oberthür. Umgekehrt müssen die Angestellten belegen, dass ihre Leistung besser als durchschnittlich war, wenn sie mit einem Zeugnis nicht einverstanden sind. „Diese Nachweise sind aber in der Regel von beiden Seiten sehr schwer zu erbringen“, berichtet die Anwältin aus der Praxis. Meist laufe es bei Streitigkeiten auf einen Vergleich hinaus.

Kleinigkeiten geben oft den Ausschlag, ob ein Zeugnis gut oder schlecht ist

Doch um zu beurteilen, ob ein Zeugnis nun sehr gut oder doch weniger gut ist, kommt es nicht nur auf die verwendeten Formulierungen an, sondern vor allem auf den Kontext, erklärt die Expertin und gibt ein Beispiel: „Wird einer Führungskraft etwa bescheinigt, dass sie immer pünktlich war, ist das eine schlechte Bewertung, denn von einem Vorgesetzten erwartet man üblicherweise mehr, als pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.“ Werde diese Eigenschaft hingegen beispielsweise einem Verkäufer attestiert, sei es positiv gemeint. Oft gebe vielmehr das, was fehlt, einen Hinweis auf die wahre Beurteilung – etwa wenn das Zeugnis von dem abweicht, was üblicherweise von einem Mitarbeiter in der entsprechenden Position erwartet werden könne.

Oberthür rät deshalb, das Arbeitszeugnis im Zweifelsfall von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen. Lediglich bei leicht zu behebenden Fehlern – wenn etwa in der Tätigkeitsbeschreibung eine der Aufgaben fehlt – könnten die früheren Mitarbeiter selbst um Korrektur bitten. Sonst sei es oft problematisch, ohne juristische Kenntnisse klarzukommen, zumal die Beanstandung zeitnah erfolgen sollte, möglichst innerhalb von sechs Monaten.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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