Nürnberg/Köln. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt sieht die Lage inzwischen wieder recht gut aus! 2,58 Millionen Menschen waren im August ohne Job, 12.000 weniger als im Juli – und 377.000 weniger als im August 2020. „Der Beschäftigungsaufbau gewinnt an Schwung“, stellt die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg fest. Prognosen deuten darauf hin, dass dieser Trend sich fortsetzt. aktiv sprach darüber mit Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Hat sich die Rettungsmaßnahme Kurzarbeit in der Corona-Krise bewährt?

„Eindeutig ja“, sagt Arbeitsmarktexperte Schäfer. „Im April 2020 waren rund 6 Millionen Menschen in Kurzarbeit, im Juni 2021 nur noch 1,6 Millionen. Millionen Menschen sind an ihre angestammten Arbeitsplätze zurückgekehrt: Ihre Fachkenntnisse sind nicht verloren gegangen, die Betriebe konnten entsprechend schnell wieder durchstarten.“ Ein zwischenzeitlicher Anstieg der Arbeitslosenzahl habe allein mit der Kurzarbeit nicht verhindert werden können: „Dafür war, im Gegensatz zur Finanzkrise 2009, der Zeitraum zu lang und der Einbruch zu stark. Aber die Folgen der Krise wurden eben erheblich abgemildert.“

Das Jobwunder von 2010 bis 2019 ist legendär. Wiederholt es sich jetzt?

„Das kann man trotz der besseren Zahlen noch nicht sagen“, stellt Ökonom Schäfer fest. Um rund 400.000 sei die Zahl der Arbeitslosen 2020 durch Corona gestiegen: „Der Abbau dieser Zahl ist ein langfristiger Prozess.“ Zudem habe es in der Krise viel weniger Neueinstellungen gegeben als sonst. „Dadurch sind viele Menschen, die schon vorher arbeitslos waren, zu Langzeitarbeitslosen geworden. Sie sind also länger als zwölf Monate ohne Beschäftigung, was ihnen die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt zusätzlich erschwert.“

Wie werden sich die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entwickeln?

Rund 26 Milliarden Euro Rücklagen hatte die BA vor der Corona-Krise auf der hohen Kante. Zum Glück! „Dieses Geld wurde komplett aufgebraucht. Und im vergangenen Jahr ist zusätzlich ein gewaltiges Defizit entstanden“, sagt Schäfer. Er rechnet damit, dass die Bundesregierung das Minus durch einen Zuschuss aus der Staatskasse ausgleichen wird, der nicht zurückgezahlt werden muss. Auch 2021 werde am Jahresende wohl ein Defizit stehen. „Ich kann mir aber nicht vorstellen“, bekräftigt der IW-Experte, „dass die nächste Bundesregierung deswegen den Beitragssatz erhöht.“ Klar: Die Folge wären ja noch höhere Lohnzusatzkosten für die Betriebe, was den Faktor Arbeit verteuern und den Beschäftigungsaufbau bremsen würde.

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Was muss die nächste Regierung tun, damit der Arbeitsmarkt fit bleibt?

Eigentlich gibt es da nicht viel Handlungsbedarf. „Einige der politischen Parteien verfolgen ja das Ziel, den Arbeitnehmern mehr Souveränität zur Verkürzung ihrer individuellen Arbeitszeit zu geben“, so Schäfer, „etwa für Weiterbildung, Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen.“ Wer das fordere, dürfe aber auf der anderen Seite nicht die Möglichkeiten der Arbeitgeber einschränken, sich für den entsprechenden Zeitraum Ersatz zu suchen! „Die Unternehmen sind auf möglichst viele flexible Elemente wie befristete Beschäftigung oder Zeitarbeit dringend angewiesen“, betont Schäfer. Schon jetzt sei es ja schwierig genug, qualifizierte Ersatzkräfte für Auszeiten der Festangestellten zu finden.

Wie sieht es eigentlich aktuell auf dem Ausbildungsmarkt aus?

Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze ist laut BA seit dem vergangenen Jahr um rund 14.000 auf 500.000 gesunken. 151.000 Lehrstellen waren im August noch offen. „Zwar bilden die Betriebe infolge der Pandemie etwas weniger aus“, weiß der Experte. „Allerdings ist auch die Zahl der Bewerber rückläufig. Aus Sicht der Schulabgänger hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sogar gebessert! Der Ausbildungsmarkt insgesamt ist also bisher ganz gut durch diese Krise gekommen.“

Thomas Goldau
Redaktionsleiter aktiv

Thomas Goldau schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Politikthemen. Nach dem Politikstudium an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und einem Zeitungsvolontariat beim „Offenburger Tageblatt“ hat er bei Tageszeitungen und einem Wirtschaftsmagazin über den Politikbetrieb in Bonn, Berlin und Brüssel berichtet. Privat zieht es den Familienvater regelmäßig mit dem Wohnmobil in die Ferne.

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