München. Alle Achtung! Es gibt viele Ältere, die im Schlussspurt alles geben. Beim Langstreckenlauf ist das Anstrengen kurz vor dem Ziel auch oft die Basis des Erfolgs. Und genau diesen Einsatz brauchen wir als Gesellschaft in Zukunft auch am Ende des Berufslebens.

Was Deutschland an seinen über 60-Jährigen hat, zeigt unter anderem ein Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium: Ältere sind in der Regel noch fit und leistungsfähig. Das ist auch gut so, denn unsere alternde Gesellschaft steht nun kurz vor den wohl beiden härtesten Jahrzehnten des demografischen Wandels. Und da braucht sie das Potenzial der Generation Ü60. Vor allem im Job.

Wenn in naher Zukunft die Generation der Babyboomer ins Rentenalter kommt, wird es noch mehr als bislang darauf ankommen, dass mehr ältere Menschen ihre Fähigkeiten in ihrem Beruf nutzen, dem Arbeitsleben länger erhalten bleiben und den Rückzug aufs Altenteil etwas später antreten.

Studien sehen keinen Beleg dafür, dass Ältere unproduktiver sind

Der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium kommt in seinem diesjährigen Gutachten über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung zu dem Schluss: Länger im Job zu bleiben, ist nicht nur nötig, sondern auch möglich.

Die Experten haben darin unter anderem Studien zum Arbeiten im Alter ausgewertet, um zwei oft vorgebrachten Befürchtungen auf den Grund zu gehen: Fahren denn viele Menschen jenseits der 60 gesundheitlich nicht eh schon auf der letzten Rille? Und überhaupt: Sind sie nicht in ihrem fortgeschrittenen Alter ohnehin nicht mehr sonderlich produktiv? Die Wissenschaftler antworten hier zweimal mit Nein. Für Vorurteile dieser Art könne „selbst in stark standardisierten Tätigkeiten keine Evidenz gefunden werden“, urteilen sie.

Im Alter zwischen 60 und 69 sei zwar „eine leichte Verschlechterung des Gesundheitszustands festzustellen“, schreiben die Fachleute. Gravierend sei dies für die meisten Menschen jedoch nicht. Auch das Klischee einer bis ins dritte Lebensjahrzehnt ansteigenden und danach stetig abfallenden Arbeitsproduktivität lasse sich weder in einem typischen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes noch in einem typischen Betrieb des Dienstleistungssektors bestätigen. Die Ergebnisse zeigten teilweise sogar, dass die Altersproduktivitätsprofile bis zum Alter von 50 bis 55 Jahren zunehmen und dann gleich bleiben.

Da geht noch was: Menschen über 60 sind heute oft noch fit, gesund und leistungsfähig. Das gilt nicht nur für die Freizeit und den Sport. Auch im Betrieb sind Ältere noch produktiv, können mit den Jüngeren mithalten und sind ihnen dank ihrer Erfahrung sogar hier und da noch etwas voraus.

Das sind extrem gute Nachrichten! Denn es bedeutet: Länger leistungsfähig sein und länger arbeiten können, das ist keine Utopie. Es wird vielmehr eine Voraussetzung dafür sein, dass wir in Deutschland die Alterung der Gesellschaft und den demografischen Wandel einigermaßen verkraften werden. Denn dieser Wandel wird dramatisch. Über die Folgen des demografischen Wandels hat aktiv ja schon auf aktiv-online berichtet.

Eine zentrale Folge dieses Wandels: Derzeit kommen auf eine Person im Rentenalter noch rund drei Menschen im erwerbsfähigen Alter. Bereits in 15  Jahren werden es pro Rentner nur noch zwei Menschen im erwerbsfähigen Alter sein. Heißt: Die Basis des altbewährten Umlagesystems schrumpft um ein Drittel!

Ohne eine deutlich höhere Erwerbsbeteiligung jenseits der 60 sowie ein wenigstens auf Dauer weiter steigendes gesetzliches Renteneintrittsalter wird es da schwierig – da sind sich die meisten Experten einig.

Da geht noch was: Menschen über 60 sind heute oft noch fit, gesund und leistungsfähig. Das gilt nicht nur für die Freizeit und den Sport. Auch im Betrieb sind Ältere noch produktiv, können mit den Jüngeren mithalten und sind ihnen dank ihrer Erfahrung sogar hier und da noch etwas voraus.

Und an sich geht die Entwicklung ja bereits in die richtige Richtung: Die Erwerbsquote der Menschen im Alter zwischen 60 und 64 stieg im Zeitraum 2009 bis 2019 von 39  auf 62  Prozent. Ebenso erhöhte sich das tatsächliche Renteneintrittsalter in diesem Zeitraum von 63,2 auf durchschnittlich 64,3 Jahre. Ein Grund dafür ist die „Rente mit 67“, also die seit 2012 stufenweise Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 65 auf 67 Jahre. Dieser Prozess dauert noch einige Jahre an, der Jahrgang 1964 ist der erste, für dann tatsächlich die „67“ gilt – im Jahr 2031.

Leider hat aber die große Koalition zwischenzeitlich mit der „Rente mit 63“ ein widersprüchliches Signal gesendet: Diese abschlagsfreie Frührente für Menschen mit mindestens 45 Versicherungsjahren hat den positiven Trend spürbar verlangsamt. Wenigstens steigt auch hier die Altersgrenze schrittweise an. Was da für welchen Renten-Jahrgang gilt, erklären wir auf aktiv-online.de. 

Auch mit über 60 kann man noch an der Maschine stehen

Ein gutes Beispiel für einen leistungsfähigen älteren Arbeitnehmer ist Alfred Geiling. Der 60-Jährige arbeitet für die Fränkischen Rohrwerke im unterfränkischen Königsberg und wird 2025, nach mehr als 45 Beitragsjahren und ein wenig Altersteilzeit, mit etwas mehr als 64 Jahren in Rente gehen – also ziemlich genau im derzeitigen Durchschnittsalter.

Geiling ist seit 40 Jahren im Betrieb, seit 37 Jahren in der gleichen Abteilung. Wenn es um das Fertigen von Metallrohren geht, macht ihm wohl niemand etwas vor. Seit einer gefühlten Ewigkeit stellt er Maschinen ein und rüstet Werkzeuge um. Mitunter war und ist das auch ziemlich anstrengend. „Körperlich geht bei mir mittlerweile nicht mehr alles“, erzählt er. Mal ist es ein Zipperlein an der Hand, mal schmerzt ein wenig der Ellenbogen. Schwere Dinge kann er oft nicht mehr allein tragen. „Aber das ist im Alltag überhaupt kein Problem“, sagt er. „Denn wir sind hier ein Team, die Jüngeren helfen immer gerne aus.“ 

Dafür kann sich der Routinier in anderen Situationen stärker einbringen. Klemmt mal die Maschine oder funktioniert irgendwo ein Schalter nicht: Geiling hat schon fast alles gesehen und kennt sich aus. Mit seiner Erfahrung weiß er meistens Rat oder kann zumindest schnell entscheiden, wo man sich Hilfe organisieren kann. „Meine Erfahrung gebe ich gerne weiter“, sagt er.

Seinen Kollegen wird Geiling wohl in Zukunft einmal fehlen. Aber auch Geiling wird seine Kollegen vermissen, wenn er eines Tages nicht mehr zur Arbeit kommen wird. „Nach einer so langen gemeinsamen Zeit sind manche Kollegen natürlich auch Freunde geworden“, erzählt er.

Rente mit 67 soll konsequent umgesetzt werden

Gewachsene soziale Bindungen – sie allein sind aber natürlich kein Grund, ältere Mitarbeiter möglichst lange im Job zu halten. Was wichtiger ist: Ein späterer Renteneintritt stabilisiert die gesetzliche Rente. Und mehr arbeitende Ältere verkleinern die riesige Fachkräftelücke, die vielen Betrieben in Zukunft droht.

Diese Position vertritt neben vielen Experten auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), zu der auch die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbände bayme vbm gehören. Aus ihrer Sicht sollte kurz- und mittelfristig alles darangesetzt werden, die „Rente mit 67“ weiter konsequent umzusetzen. Langfristig müsse jedoch ergebnisoffen diskutiert werden, ob das gesetzliche Renteneintrittsalter weiter erhöht werden soll. Wie schon bei der Einführung der „Rente mit 67“ könnte man die Altersgrenze ab 2031 erneut schrittweise anheben – oder das Renteneintrittsalter stattdessen dynamisch an die steigende Lebenserwartung anpassen.

Die Babyboomer werden zum Problem

  • Unter den Babyboomern versteht man die Generation der geburtenstarken Jahrgänge zwischen dem Ende der 1950er und dem Ende der 1960er Jahre.
  • Das geburtenstärkste Jahr in Deutschland war 1964 mit 1,4 Millionen Neugeborenen. Zum Vergleich: 2020 waren es 770.000.
  • Schon heute ist klar: Zwischen 2025 und 2035 werden die meisten dieser Babyboomer in Rente gehen.
  • Für die gesetzliche Rente wird diese Zeit zum Stresstest. Zudem werden die steigenden Pensionzahlungen für Beamte den Staatshaushalt belasten.
  • Für Unternehmen dürfte sich in dieser Zeit der Fachkräftemangel verschärfen.

Das Arbeiten im Alter soll einfacher möglich sein

Klar ist für die Arbeitgeber dabei: Flankierend zu einer solchen Anpassung muss sichergestellt werden, dass diejenigen, die aufgrund von körperlichen Beeinträchtigungen in ihrem Beruf nicht mehr bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze arbeiten können, eine adäquate Absicherung erhalten.

Außerdem plädiert die vbw dafür, Rentnern das Arbeiten im Alter einfacher möglich zu machen – wenn sie es denn wünschen. Eine konkrete Forderung: Bei den Personen, die eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen beziehen, soll die derzeit noch geltende Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro im Jahr abgeschafft werden.

Leserfrage: Was gilt fürs Arbeiten im Rentenalter?

Christine S. per Twitter: Ist es eigentlich so, dass, wenn ich reguläre Altersrente beziehe und weiter arbeite, mir die Rente dann etwas gekürzt wird? Und ich außerdem weiterhin Sozialabgaben zahlen muss?

aktiv: Wir haben uns bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schlaugemacht. Die Antwort auf Ihre erste Frage: Nein, das ist nicht so! Bei der regulären Altersrente ist keine Hinzuverdienstgrenze zu beachten. Die Höhe des weiteren Verdienstes wird also nicht auf die Rente angerechnet.

Auch die Antwort auf Ihre zweite Frage lautet: Nein. Wer nach Erreichen der regulären Altersgrenze eine Altersrente in voller Höhe bezieht (also keine Teilrente) und weiterhin arbeitet, muss für dieses Entgelt keine Beiträge mehr in die Sozialversicherung abführen. Dadurch wirkt sich diese Arbeit auch nicht mehr auf die Höhe der Rente aus. Aber: Rentnerinnen und Rentner können in so einem Fall auf ihren Arbeitgeber zugehen und auf die Versicherungsfreiheit verzichten! Dann zahlen sowohl der Betrieb als auch der Ruheständler ihren normalen Beitragsanteil in die Rentenkasse, auf solche Beiträge gibt es zudem einen Zuschlag von 0,5 Prozent pro Monat seit Erreichen der Altersgrenze. Jeweils zum 1. Juli des Folgejahres steigt die Rente dann auch entsprechend dieser zusätzlichen Beiträge.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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