Hannover. Stefan Schulze hat eine Mission: Die Berufsorientierung liegt dem 46-jährigen Lehrer am Tilmann-Riemenschneider-Gymnasium (TRG) in Osterode am Herzen. Seit 2009 fährt er mit seinen Klassen zur IdeenExpo in Hannover – der großen Technikshow, die über MINT-Berufe informiert. Seinen Schülern, der Generation Z, steht die Welt offen. Doch Freiheit kann auch eine Bürde sein.

NiedersachsenMetall wollte mehr über die Generation Z wissen. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat für die Metall- und Kautschukarbeitgeber Tausende junge Erwachsene interviewt: Warum wählen junge Menschen so häufig ein Studium und nicht eine Ausbildung? Wer hat den größten Einfluss auf ihre Berufswahl? Was wünschen sie sich von ihren künftigen Arbeitgebern? Die Antworten werden für Unternehmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel immer wichtiger.

Professorin Renate Köcher, Allensbach-Institut: „Technik und Naturwissenschaften stehen in starker Konkurrenz zu anderen Fächern.”

60 Prozent der Befragten schätzen die beruflichen Zukunftsaussichten ihrer Generation als gut ein, 19 Prozent als sehr gut. „Der Fachkräftemangel verschärft sich mitten in der Krise, und dieser Umstand stärkt natürlich die Verhandlungsposition der gut ausgebildeten Nachwuchskräfte“, sagte Renate Köcher, Chefin von Allensbach, bei der Präsentation der Umfrage in Hannover.

Die jungen Menschen erwarten vom Berufsleben, dass ihnen die Arbeit Spaß macht, ihren Neigungen entspricht und sinnvoll ist. „Das Wissen darum, dass sie so begehrt ist, macht die Nachwuchsrekrutierung in dieser Generation selbst für renommierteste Unternehmen mittlerweile zu einer echten Herausforderung“, sagte Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall und Kautschuk-Verband ADK.

Erfreulich: Die Mehrheit hält Naturwissenschaften und Technik für sehr wichtig und sagt, dass Kenntnisse in Naturwissenschaften es ermöglichen, Zusammenhänge besser zu begreifen. Köcher: „Das beweist, dass wir entgegen der landläufigen Meinung keine technologiefeindliche Gesellschaft sind, schon gar nicht bei den Jüngeren.“

In Ingenieurberufen hat sich die Zahl der Frauen kaum erhöht

Sie ist überzeugt: „Wir bleiben unter unseren Möglichkeiten, aus dieser positiven Grundhaltung gegenüber Technik und Naturwissenschaften auch etwas zu machen.“ Dennoch: „Technik und Naturwissenschaften stehen in enger Konkurrenz zu vielen anderen Berufsfeldern.“ So könnten sich 34 Prozent einen Beruf in einem sozialen Bereich vorstellen, dahinter folgen IT, Computertechnik und Informatik (22 Prozent).

Vor allem junge Frauen entscheiden sich häufig nicht für einen MINT-Beruf: „Die Erwerbstätigkeit von Frauen steigt immer weiter an, doch das kommt vor allem anderen Berufsfeldern zugute“, sagt Köcher. In den Ingenieurberufen hat ihre Zahl sich kaum erhöht. „Frauen erobern sich Schritt für Schritt die Bereiche, in denen man viel mit Menschen zu tun hat“, bilanziert Köcher. „Will man also die Frauen für Technik begeistern, muss man deutlich machen, dass der IT-Experte kein einsamer Nerd ist, sondern dass er für und mit Menschen arbeitet.“

Professorin Renate Köcher, Allensbach-Institut: „Technik und Naturwissenschaften stehen in starker Konkurrenz zu anderen Fächern.”

Professor Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft mahnte, dass den Unternehmen nicht mehr viel Zeit bleibe, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. „Die Fachkräftelücke im MINT-Bereich steigt stark an, und sie wird ein enormes Hindernis bei der Bewältigung der großen Herausforderungen sein, die aktuell vor uns liegen.“ Viele Jugendliche seien sich der Vielfalt der Berufe nicht bewusst. Zudem: „Die Bezahlung ist überdurchschnittlich, und die Jobsicherheit ist groß.“

Partner bei der Gewinnung zukünftiger Fachkräfte sieht er in den Schulen. „Lehrer sind für junge Menschen eine zentrale Figur bei der Mobilisierung ihrer Interessen.“ Wie Stefan Schulze aus Osterode. 200 Schülerinnen und Schüler hatte er für den Trip zur IdeenExpo begeistern können – und bei ihnen Interesse geweckt!

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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