Wuppertal. Selina Tillmann ist eine der Jüngsten im Team – und die Chefin. Die 30-Jährige leitet die analytischen Labore bei 3M in Wuppertal mit 45 Chemielaboranten, Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern.

Ihr Ziel: Langfristige Strategien voranbringen und sozial handeln. Am Standort fertigen rund 550 Mitarbeiter Polymer-Membranen für medizinische und industrielle Anwendungen. Diese filtern zum Beispiel in Dialyse-Geräten bestimmte Substanzen aus dem Blut von Patienten mit Nierenerkrankungen heraus.

Selina Tillmann ist promovierte Chemikerin: Ihre Doktorarbeit hat sie über Lithium-Ionen-Batterien geschrieben. Ein sehr aktuelles Thema: „Es ging dabei um 3-D-Polymerstrukturen für die Elektroden“, erzählt sie beim Besuch von aktiv. Sie weiß also jede Menge über Polymersysteme und -strukturen. Aber nach fünf Jahren intensiver Forschung wollte sie ihre Kenntnisse jetzt in der Wirtschaft einsetzen.

Das Werk Wuppertal ist der globale Standort für die Forschung und die Produktion für Membranen

Durch ein Trainee-Programm des internationalen Chemiekonzerns 3M lernte sie die Produktion und verschiedene Standorte in den deutschsprachigen Ländern kennen. Sie vernetzte sich mit jungen Ingenieuren und Naturwissenschaftlern beim Unternehmen und erfuhr viel über die verschiedenen Kulturen der Werke. Denn obwohl diese geografisch nicht weit auseinanderliegen, bestimmen unterschiedlichen Produkte, Arbeitsprozesse sowie die jeweilige Geschichte die Nuancen.

Wuppertal zum Beispiel ist zwar erst seit 2015 Teil des Konzerns, aber bereits ein sehr altes Unternehmen: Hier wurde einst die Kunstseide für Damenstrümpfe erfunden.

3M hat rund 36 Millionen Euro in die Modernisierung und Erweiterung der Membran-Produktion investiert. „Jetzt müssen wir die analytischen Labore aktiv integrieren. Weg von den rein operativen Aufgaben, hin zur strategischen Verantwortung“, meint Tillmann.

In den drei Laboren kontrollieren die Mitarbeiter Arbeitsprozesse, prüfen die Qualität der Produkte und geben neue Anlagen frei. Sie unterstützen mit ihren Analysen auch die Entwicklung von neuen Produkten und suchen bei Reklamationen nach der Quelle des Problems.

Tillmann sagt mit Nachdruck: „Wir sind mitten in der Umsetzung einer Strategie, die unseren Laboren erlaubt, für unsere internen und externen Kunden noch ein paar Schritte weiter zu gehen als bisher.“

Es lohnt sich, verschiedene Blickwinkel in einem Projekt zu vereinen

Da Wuppertal der globale Forschungs- und Produktionsstandort für Membranen ist, sind die Labore die Schnittstelle für viele Bereiche – die jede Menge Daten benötigen.

Während des Trainee-Programms lernte die heutige Laborleiterin den Lean-Six-Sigma-Optimierungsprozess kennen: „Ein sehr systematischer Ansatz, wie man Probleme angeht“, findet sie. Im Betrieb nutzt sie diesen „Werkzeugkasten“ und spart damit Energie und Ressourcen oder hält die Arbeitswege kurz. „Etwas verändern und verbessern zu können, ist mir wichtig. Stillstand ist mein persönlicher Tod“, sagt sie geradeheraus.

Als einzige Chemikerin unter lauter Ingenieuren im Trainee-Programm habe sie anfangs viel Neues lernen dürfen. „Aber andere Perspektiven zu verstehen und sich auszutauschen hilft immer“, sagt Tillmann.

Sie engagiert sich deshalb auch für Vielfalt und Inklusion im Betrieb. „Damit meine ich nicht die Frauenquote“, betont sie, „sondern dass es sich lohnt, verschiedene Blickwinkel in einem Projekt zu vereinen.“

Das Unternehmen für junge Fachkräfte attraktiver machen

Bei 3M dürfen Mitarbeiter 15 Prozent ihrer Arbeitszeit für Themen nutzen, die nicht direkt mit dem Job zu tun haben. Tillmann ist in einer standortübergreifenden Gruppe engagiert, die das Unternehmen noch attraktiver für junge Fachkräfte machen will. Es geht um Kicker und Billardtische, Jobtickets und Ladesäulen oder eine Paketbox für die privaten Bestellungen. Aber auch um Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Kollegen.

In ihrer Freizeit geht die junge Frau gern in die Berge zum Wandern. Oder sie liest Finanznachrichten. „Ich informiere mich gern über die Rente und unterstütze Freunde und Familie bei Finanzfragen.“

Nachhaltigkeit findet sie neben der Rendite bei ihren Anlagetipps immer wichtiger: „Deswegen achte ich selbst darauf, meinen CO2-Fußabdruck zu verbessern. Ich will zum Beispiel weniger fliegen und auch das Auto immer öfter stehen lassen.“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Naturwissenschaften haben mich schon in der Schule interessiert. Die Chemie eröffnet Chancen in fast allen Industriezweigen.

Was reizt Sie am meisten?

Im Team Veränderungen besprechen und Ideen ausarbeiten. Meine Mitarbeiter entwickeln und Perspektiven aufzeigen.

Worauf kommt es an?

Kommunikativ, empathisch, strukturiert und offen für Neues sein, Prioritäten setzen und danach handeln.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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