Er sieht aus wie eines dieser großen Bierfässer, die hinter dem Ausschank von Festzelten stehen, während aus den Zapfhähnen der Gerstensaft fließt. Doch der in mattem Silber glänzende Zylinder mit den abgeflachten Kanten steht nicht auf einer Festwiese, sondern in der Werkhalle des Neunkircher Abgasreinigungs-Spezialisten Purem by Eberspächer.
Außerdem steckt hinter seinem Stahlmantel kein Bier: Im Innern sind Hunderte Metallteile – meist Rohre – verbaut und filigran miteinander verschweißt oder verschraubt. Sie sorgen dafür, dass Wasserdampf mithilfe von Hitze, Druck und Strom in seine Bestandteile Wasser- und Sauerstoff aufgespalten wird. Anders gesagt: In den Rundlingen kann Wasserstoff produziert werden – jener Energieträger, der nach dem Ende der fossilen Energien künftig immer wichtiger wird.
„Wir Schweißer gelten als die Spitzensportler unter den Metallarbeitern.“
Artur Fott, Purem by Eberspächer
Für Purem by Eberspächer sind solche Druckbehälter für Elektrolyseure eine ganz neue Produktsparte – und ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Denn durch den geplanten Abschied vom Verbrennungsmotor bricht den Neunkirchern mittelfristig ein Teil des Geschäfts weg. Wasserstoff ist da ein Hoffnungsträger, denn auch Motoren, die mit Wasserstoff laufen, brauchen Abgasreinigung. Das Problem: Der industrielle Hochlauf der Technologie dauert wohl noch Jahre.
Da liegt die Idee nahe, selbst an der industriellen Produktion von Wasserstoff mitzuwirken. Möglich macht das eine Kooperation mit dem dänischen Familienbetrieb Topsoe: Die Saarländer fertigen bald die Druckbehälter der sogenannten Hochtemperatur-Elektrolyseure von Topsoe, mit denen sich hocheffizient Wasserstoff erzeugen lässt.
Viele Facharbeiter bilden sich gerade zu Schweißern fort
„Topsoe liefert das Know-how, wir bringen die industrielle Fertigungskompetenz im Bau von Druckbehältern mit“, fasste Werkleiter Ralf Bickel bei der Präsentation des Vorhabens in Neunkirchen zusammen. Mit der partnerschaftlichen Entwicklung und dem Bau von Hochtemperatur-Elektrolyseuren betrete man Neuland, betonte Benjamin Brenkel, Europachef von Purem by Eberspächer. Das Saarland will die Erschließung des neuen Geschäftsfelds mit 2,6 Millionen Euro unterstützen, kündigte Wirtschaftsminister Jürgen Barke an.
Rund 100 Beschäftigte sollen im Werk von Purem by Eberspächer demnächst Druckbehälter fertigen. Einer von ihnen ist Artur Fott. Der 36-jährige Mechatroniker aus der Pfalz hat sich für die neue Aufgabe als Schweißer für den Druckbehälterbau weiterqualifiziert. „Angefangen haben wir mit sechs Leuten“, berichtet er beim aktiv-Besuch in Neunkirchen. „Jetzt haben schon 14 den Lehrgang durchlaufen.“
Weitere werden folgen – alles Facharbeiter in diversen Metallberufen. Ihre Aufgabe wird es sein, die Schweißnähte für die zahlreichen Rohre im Inneren des Behälters vorzubereiten und im sogenannten Wolfram-Inertgas-Verfahren zu verschweißen: Dieses Verfahren wird oft für Aluminium und Edelstahl verwendet. „Das Metall wird bei diesem Verfahren nicht so heiß, dass es sich verformen kann“, erläutert Fott. „Daher ist die Schweißnaht auch bei großem Druck sehr belastbar und stabil.“
Damit sie vor Dämpfen geschützt sind, tragen die Männer neben ergonomisch geformten Schweißhelmen zusätzlich Atemmasken mit einer speziellen Aktiv-Belüftung. „Wir Schweißer gelten als Spitzensportler unter den Metallwerkern“, sagt Fott. „Daher muss unsere Ausrüstung top sein.“
Der Wasserdampf im Behälter ist bis zu 850 Grad heiß
Projektleiterin der Elektrolyseur-Fertigung ist Karina Grün. Die Maschinenbau-Ingenieurin aus Nohfelden-Selbach ist dafür zuständig, dass die rund 800 Bauteile, die in dem Elektrolyseur verarbeitet werden, immer rechtzeitig und in der gewünschten Stückzahl zur Verfügung stehen. Auch die Abfolge der etwa 400 Prozessschritte, die gegangen werden müssen, bis der Druckbehälter einsatzfähig ist, muss die 40-Jährige festlegen – vom Herstellen kleiner Vorbau-Gruppen bis hin zum Zusammenführen aller Komponenten. Am Ende soll eine industrielle Serienfertigung stehen.
Purem by Eberspächer und Topsoe betreten mit ihrem Gemeinschaftsprojekt verfahrenstechnisches Neuland. In den Elektrolyseuren wird die SOEC-Technologie eingesetzt, was für Solid Oxide Electrolysis Cell steht (auf Deutsch: Festoxid-Elektrolysezelle).
Dabei wird der Wasserdampf im Behälter auf 700 bis 850 Grad erhitzt. Die Hitze sorgt in Kombination mit dem hohen Druck und der elektrischen Energie dafür, dass die Aufspaltung der Wassermoleküle in Wasser- und Sauerstoff besonders effizient gelingt. Der Vorteil: Die Anlagen brauchen für dieselbe Menge Wasserstoff weniger Strom als die derzeit am Markt verfügbaren Elektrolyseure.
„Das SOEC-Konzept eignet sich vor allem für Standorte, an denen ohnehin hohe Temperaturen zur Verfügung stehen“, erklärt Denis Messmer, Vizepräsident Engineering & Supply Chain bei Topsoe. Beispiele wären etwa Unternehmen aus der Stahl-Industrie oder Raffinerien.
Und wann gibt es Druckbehälter made in Neunkirchen zu kaufen? Zwei Stück wurden bereits im Rahmen einer Vorserienfertigung produziert. Die Industrialisierung der Prozesse ist bis Ende des Jahres geplant. Und die Serienfertigung soll 2026 starten.
Zum Unternehmen
- Purem by Eberspächer ist ein Spezialist für Abgasreinigungs- und Akustiksysteme in Fahrzeugen und beschäftigt am Standort Neunkirchen rund 1.000 Mitarbeiter.
- Wasserstoff (H2) soll ein neues Geschäftsfeld werden. Erst kürzlich schloss Purem by Eberspächer eine Partnerschaft mit dem Start-up AMBARtec, das sich mit der H2-Speicherung beschäftigt.







