Washington / Brüssel / München. Er meint es bitterernst. Schon sehr lange! Wäre er US-Präsident, sagte Donald Trump 1990 dem Magazin „Playboy“, dann würde er „eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz packen, der in dieses Land rollt“.

Gut ein Vierteljahrhundert später ist der Milliardär tatsächlich mächtigster Mann der Welt. Und mit seinen jetzt 71 Jahren munter dabei, einen globalen Handelskrieg zu riskieren. An seinen Vorstellungen hat sich nichts verändert: „Wir werden Mercedes-Benz mit Zöllen belegen, wir werden BMW mit Zöllen belegen“, drohte er gerade. Zwar geht er, um Druck aufzubauen, gerne mal zwei Schritte vor und dann einen zurück. Von dem im März verfügten Zoll-Schock – 25 Prozent auf Stahl-Importe, 10 Prozent bei Alu – nahm er im letzten Moment die EU vorerst wieder aus. Und verhängte gleichzeitig in großem Stil neue Zölle speziell gegen China.

Die Spitzenverbände der bekanntlich sehr exportorientierten deutschen Wirtschaft sind laut gemeinsamer Erklärung „äußerst besorgt“. Sie fordern politische Schritte, „um eine Spirale des Protektionismus abzuwenden“.

Kein Wunder. „Wenn sich die USA abschotten, bedroht das das deutsche Geschäftsmodell“, erklärt Professor Gabriel Felbermayr, Außenhandelsexperte am Ifo-Institut München, im Gespräch mit AKTIV. „Trumps Dekrete sind eine sehr ernst zu nehmende Attacke auf das ganze Welthandelssystem.“

Zentrale Fragen und Antworten:

Neue Zölle verordnen – darf Trump das einfach so?

Aus Sicht der USA kein Problem: In Handelsfragen kann ihr Präsident eine Menge anpacken, ohne das Parlament fragen zu müssen. Trumps Zoll-Aktionen stützen sich auf jahrzehntealte Gesetzesklauseln sowie eigens angefertigte Berichte des Wirtschaftsministeriums.

Im Januar unterschrieb er Zölle auf Waschmaschinen und Solarmodule. Anlass war einfach, dass US-Hersteller um Schutz gebeten hatten – weil sie, so der amtliche Befund, „schwerwiegend“ leiden unter Importen vor allem aus Asien. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO gehen neue Zölle aber nicht so einfach! Möglich, dass die WTO dem US-Präsidenten dafür noch auf die Finger haut. Wie es George W. Bush geschah: Dessen 2002 nach gleichem Muster verhängten Stahl-Zölle nannte die WTO rechtswidrig, Bush ruderte zurück.

In Sachen Stahl und Alu hat Trump jetzt allerdings auf einen anderen Trick gesetzt. Gemäß amtlicher Begründung sind Zölle hier jetzt für die „nationale Sicherheit“ erforderlich. „Das ist absurd und ungehörig“, kritisiert Felbermayr, „aber juristisch womöglich nicht gut angreifbar. Weil die WTO Ausnahmen zulässt, wenn es um Sicherheitsinteressen geht.“ Eine gefährliche Perspektive: Kommt Trump mit diesem Trick durch, macht das miese Beispiel Schule – und jeder nimmt Zölle, wie er lustig ist.

„Die WTO wäre bald massiv beschädigt“, warnt der Ökonom. „Und das ist wahrscheinlich auch Trumps Absicht.“

Was treibt Trump eigentlich an?

Zunächst muss man wissen: Die Amis haben schon lange ein gigantisches Handelsbilanzdefizit bei physisch greifbaren Waren, vom Stahl bis zum Auto. Die shoppingfreudigen Bürger befeuern die Einfuhren, die Ausfuhren der teilweise kaum wettbewerbsfähigen US-Industrie sind regelmäßig viel niedriger.

Ob das Defizit ein Problem ist und wenn ja, wie es sich mindern lässt – da sind sich Experten uneins. Trump macht es sich einfach. Das Defizit sei schlecht und durch unfaire politische Deals vergrößert worden. Also müsse es etwa mit Zöllen bekämpft werden – das sei gut, weil weniger Einfuhren mehr Arbeit im Inland mit sich brächten.

Die Wirklichkeit ist komplizierter. Zölle auf Stahl mögen in Amerika einige Stahlkocher-Jobs schützen – aber in der Folge gefährden die höheren Stahlpreise mehr Stellen bei US-Stahlverarbeitern! Solche Zusammenhänge scheinen Trump eher fremd zu sein. Und wie der Rest der Welt reagiert, schert ihn wenig: Wenn ein Land eine derart tiefrote Außenhandelsbilanz hat, twitterte er, „sind Handelskriege gut – und leicht zu gewinnen“.

Historiker und Ökonomen wissen, dass Handelskriege stets schlecht ausgehen, für alle Beteiligten. Dass mehr Handel normalerweise mehr Wohlstand bringt – weil die Vorteile der Arbeitsteilung dadurch international, also viel größer werden. Abschottung macht ärmer – auch, weil ohne Wettbewerber aus dem Ausland Produkte tendenziell schlechter werden, siehe Trabi.

Aber Freihandel ist diesem US-Präsidenten nicht geheuer. Kaum im Amt, verabschiedete er sich aus dem jungen Abkommen TPP mit elf anderen Staaten von Chile bis Japan. Zudem stellte er die Freihandelszone Nafta mit Kanada und Mexiko infrage. Wegen der aktuellen Stahl- und Alu-Zölle warf Trumps oberster Wirtschaftsberater das Handtuch, nun haben Protektionisten im Weißen Haus die Oberhand. Der „Economist“, das wichtigste Wirtschaftsmagazin der Welt, sieht das globale Handelssystem so bedroht wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg.

Wie reagiert Europa auf die Herausforderung?

Noch ist unklar, wie der jetzt anstehende Verhandlungspoker mit den Amis in Sachen Stahl und Alu für die EU ausgeht. Gegebenenfalls will sie sich wehren – sie ist ja für die Außenhandelspolitik aller Mitglieder zuständig. „Nichtstun ist für die EU keine Option“, weiß Experte Felbermayr.

Im Raum stehen eine Klage bei der WTO – und im Rahmen der WTO-Regeln auch eine schnelle Reaktion: Es gibt eine Liste der EU-Kommission mit rund 200 US-Produkten für potenzielle Strafzölle, von Mais und Kidney-Bohnen bis zu Whiskey, Tabakwaren und Motorrädern. Die Zoll-Spirale könnte sich also weiterdrehen! Trump warnte schon: „Dann belegen wir ihre Autos mit einer Steuer von 25 Prozent – und glaubt mir, dann machen sie es nicht sehr lange.“

Indirekt machen Trumps Zölle der EU auf jeden Fall zu schaffen. Stahl-Lieferanten aus aller Welt werden, wenn sie weniger nach Amerika verkaufen, noch stärker Europa ansteuern. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl forderte schon „umgehende und wirkungsvolle Schutzmaßnahmen“.

Sind die bisherigen EU-Zölle auf US-Produkte unfair?

Wird ein in den USA gebautes Auto in die EU eingeführt, werden 10 Prozent Zoll fällig. Amerika belastet Autos aus Europa nur mit 2,5 Prozent. Ist das „unfair“, wie Trump behauptet?

„Ach was“, ärgert sich Ökonom Felbermayr, „viele Zölle sind im internationalen Vergleich unterschiedlich hoch.“ Das sei vor allem das Ergebnis ausführlicher Verhandlungen bei der Gründung der WTO 1994: „Es war damals ein großer globaler Deal – bei dem die USA andere Vorteile für sich herausgeholt haben.“

Der Vergleich einzelner Zollsätze führt also in die Irre. Die gesamte Zollbelastung, gewichtet mit den tatsächlich eingeführten Gütermengen, ist laut EU-Kommission nicht dramatisch verschieden: USA 2,4 Prozent, EU 3 Prozent. Falls die EU ihren Zoll auf Autos senken wollte, müsste das gemäß den WTO-Regeln gegenüber allen Staaten gelten – und nicht nur gegenüber den USA.

Trump denkt derweil über eine noch brutalere Abkehr vom Regelwerk nach: Die USA könnten eine „mirror tax“ verlangen – also für jede Produktart den gleichen Zollsatz wie der jeweilige Handelspartner. Das hört sich theoretisch fair an, öffnet aber in der Praxis dem Ausschluss Dritter Tür und Tor. Es wäre wohl das Ende unserer globalen Handelsordnung.

    Die WTO – was ist das eigentlich?

    Die 1994 gegründete Welthandelsorganisation mit Sitz in Genf (ihr Vorläufer hieß „Gatt“) hat globale Handels­regeln festgeschrieben – von denen die 164  Mitgliedsstaaten nicht ohne guten Grund einseitig abweichen dürfen. Die WTO soll den Handel weiter liberalisieren, und sie entscheidet über Streitfälle. Zwei Prinzipien lauten:

    • Meistbegünstigung. Ein WTO-Mitglied muss alle Partner gleich behandeln. Wenn es einem bestimmten Land neue Handelserleichterungen gewährt, müssen diese grundsätzlich gegenüber allen anderen gelten. Wichtige Ausnahme: Gründen Staaten eine Freihandelszone (wie zum Beispiel die EU), dürfen sich deren Mitglieder gegenseitig besser behandeln als den Rest.
    • Inländerbehandlung. Ausländische Produkte dürfen nach der Einfuhr vom Staat nicht schlechter gestellt werden als gleichartige heimische Waren.