Am Ende, wenn alle Schaltelemente verschraubt und alle Kabel gezogen sind, fragt Sandra Bayer immer den schlauen Klaus. „Hab ich einen Fehler gemacht, zeigt mir der Klaus, wo“, sagt die Montage-Mitarbeiterin. Klaus – das ist ein Computer, der aussieht wie eine beleuchtete Arbeitsplatte. Auf ihn legt Bayer die fertig montierte Bodenplatte eines Verteilerschranks. Klaus scannt das Teil mit seiner Kamera ab – und gibt schnell grünes Licht: Alles am richtigen Platz!

Dieser „schlaue Klaus“ ist nagelneu, genauso wie vieles andere im Werk des Elektrotechnik-Spezialisten Hager in Blieskastel. Rund 40 Millionen Euro hat das Familienunternehmen gerade in seiner saarländischen Zentrale investiert. 28 neue Maschinen wurden angeschafft. Warum diese große Investition am Standort? Und wieso jetzt?

Hager hat rund 40 Millionen Euro investiert

Um diese Fragen zu beantworten, führt Stefan Frevel die Besucher von aktiv erst mal in einen hellen Konferenzraum mit großem Monitor. Frevel ist Vertriebsleiter Hager Deutschland, auf seinem Laptop hat er eine Präsentation, die jetzt auf dem riesigen Bildschirm erscheint. „Hager ist im Gebäudesektor ein Wegbereiter der Energiewende“, sagt er und zeigt das auf dem Monitor. „Unsere Vision ist, dass wir die elektrische Welt von morgen mitgestalten.“

Die Welt elektrisch gestalten – das macht Hager seit seiner Gründung im Jahr 1955. Die Erfolgsformel des Familienunternehmens ist einfach: Jedes moderne Gebäude braucht Strom – und der kann ohne Verteilerschränke, Schutzschalter und andere Technik nicht sicher gesteuert werden. Heute ist die Hager Group in über 100 Ländern aktiv und hat Werke in zehn Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien und Italien. Allerdings: 40 Prozent des Umsatzes macht der Konzern weiterhin in Deutschland.

Hier im Saarland sowie im Schwesterwerk im französischen Obernai entsteht das bei Weitem bekannteste Hager-Produkt: der Verteilerschrank. Es gibt ihn in den verschiedensten Größen und Formaten, ob aus Metall (für den deutschen Markt) oder aus Kunststoff (die in Frankreich bevorzugte Variante). Will man verstehen, warum Hager speziell die Fertigung dieser Produkte so ausweitet, muss man sich dieses Stück Sicherheitstechnik – das bei uns in jedem Gebäude vorgeschrieben ist – einmal genauer anschauen.

    „Früher mussten Verteiler nur Strom zählen und Leitungen schützen“, erklärt Frevel. Vor rund 40 Jahren kam dann der Fehlerstrom-Schutzschalter hinzu: Er kann vor einem Stromschlag bewahren, etwa, wenn ein Kind mit der Hand in den Toaster greift. „Heute müssen Verteiler aber noch weit mehr leisten.“ Denn immer mehr Gebäude erzeugen im Zuge der Energiewende inzwischen selbst Strom per Solaranlage. Hinzu kommen neue Großverbraucher wie Wallboxen oder Wärmepumpen, außerdem Glasfaser-Anschlüsse und Smarthome-Anwendungen. All diese Kabel (und die Software dazu) laufen heute im Verteiler zusammen: „Aus dem Zählerschrank von einst ist eine Technikzentrale geworden“, sagt Frevel.

    Und dieses elektrische Herz der Energiewende schlägt in Zukunft nicht nur standardmäßig in Neubauten. Auch im Bestand rüsten Immobilienbesitzer und Betriebe ihre Gebäude Stück für Stück nach.

    Die neuen Maschinen haben die Handarbeit nicht verdrängt

    Wie Hager auf diese gestiegene Nachfrage reagiert, sieht man in den Werkhallen in Blieskastel. Wo vor Kurzem noch breite Gänge zwischen den Produktionslinien waren, sind die 25.000 Quadratmeter Fläche heute „ausgesprochen eng bestückt“, wie Werkleiter Ingo Strassburger es formuliert. Die neuen Anlagen – größtenteils Spritzguss-Maschinen – sind nämlich nicht nur im laufenden Betrieb aufgebaut worden, sondern auch auf dem vorhandenen Platz.

    10.000 Schränke pro Woche– das ist der bisherige Rekord

    Mensch und Maschine müssen also eng zusammenarbeiten. Aber das klappt hier schon seit Jahrzehnten gut – wie man an einer älteren Anlage sieht, die fast ein Viertel der Werkhalle einnimmt: Vorn legt ein Mitarbeiter Blech von einem Stahl-Coil auf, hinten kommt ein fertiges Schrankgehäuse raus. Zwischendurch schneidet, schweißt und biegt die Maschine das Blech in Form – ein „Wunderwerk des Ingenieurwesens“, so Strassburger. „Wir produzieren hier rund 350.000 Schränke im Jahr, der Rekord liegt bei 10.000 pro Woche.“

    Nach wie vor gebe es aber auch viele reine Handarbeitsplätze, wie der Werkleiter betont. Das Innenleben der Verteiler etwa mit seinen Kabeln und Schaltern werde weiterhin von Hand produziert. Alle Kunststoffteile dafür werden von Hager selbst gefertigt und anschließend von Mitarbeitern wie Sandra Bayer montiert.

    Die 43-Jährige mag ihren Job – auch weil die Produkte, die sie fertigt, so nützlich sind. „Wenn ich jemandem erklären soll, was ich bei Hager mache, dann sag ich: Verteiler. Wenn dir demnächst mal die Sicherungen rausfliegen, darfst du also an mich denken!“

    Das Unternehmen

    • Die Hager Group ist ein führender Anbieter von Komponenten und Lösungen für Elektro-Installationen.
    • Mit 13.000 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen 2023 einen Umsatz von rund 3,2 Milliarden Euro.
    • Hauptsitz des Familienunternehmens ist Blieskastel im Saarland. Hager produziert an ingesamt 22 Standorten rund um den Globus.
    Michael Aust
    aktiv-Redakteur

    Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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