Ursprünglich war der Begriff ein Ausdruck beißender Kritik: Die „Nachtwächter-Idee“, empörte sich der Arbeiterführer Ferdinand Lassalle, sei die klägliche Vision einer Obrigkeit, die ausschließlich den Reichen nützt. „Entsprechend fasst die Bourgeoisie den sittlichen Staatszweck auf: Sie kann sich den Staat nur unter dem Bilde eines Nachtwächters denken, dessen ganze Funktion darin besteht, Raub und Einbruch zu verhüten.“
Das war im Jahr 1862. Seitdem ist der Staat enorm gewachsen, er kümmert sich um jedes Kinkerlitzchen. 44 Prozent der Wirtschaftsleistung gehen durch seine Hände. Und er sorgt dafür, dass die Einkommen gleichmäßiger verteilt sind, als es im Durchschnitt der übrigen Industrieländer der Fall ist. Trotzdem macht sich massenhaft Unmut breit: diesmal nicht, weil der Staat zu viel, sondern weil er zu wenig Nachtwächter spielt.
167.000 Einbrecher-Attacken allein letztes Jahr, die Hälfte mehr als 2005 – und in 84 Prozent der Fälle findet die überforderte Polizei nicht mal einen Verdächtigen. Hilflos beschlossen die Innenminister Mitte Juni einen „Prüfauftrag“ für mehr Videoüberwachung sowie den Plan für eine „Intensivtäterdatei“. Und die Bundesregierung genehmigt 50 Millionen Euro für Türsperrriegel und Alarmanlagen – na toll, 60 Cent je Einwohner.
Gewiss: Beim Einzelnen wird statistisch gesehen nur alle 240 Jahre eingebrochen. Doch jedes Horror-Erlebnis einer zerstörten Privatsphäre schlägt ja Wellen, bei vielen Nachbarn und Bekannten; laut einer aktuellen Umfrage ist jeder zweite Bürger verunsichert. Es geht hier um einen Eckpfeiler unserer Wirtschaftsordnung: ohne sicheres Eigentum kein Ehrgeiz – und ohne Ehrgeiz kein Wohlstand.