Berlin. Es ist eine Herkules-Aufgabe: Mehr als 1,4 Millionen Flüchtlinge haben seit 2015 in Deutschland Asyl beantragt. Ein Großteil dieser Menschen lebt bis heute hier – und wird mittelfristig integriert werden müssen.

Dieser Herausforderung ist die deutsche Wirtschaft bislang erstaunlich gut gewachsen. Egal, ob Konjunktur, Staatsfinanzen oder Arbeitsmarkt: Bei wichtigen ökonomischen Kennzahlen zeigt sich Deutschland sehr stabil. Die Flüchtlingswelle, die bei vielen Bürgern zu Sorgen oder gar Ängsten geführt hat, hinterlässt keine auffallend negativen Spuren in der Bilanz.

2017 lag das reale, also inflationsbereinigte Wirtschaftswachstum bei sehr ordentlichen 2,2 Prozent. Und 2018 dürfte es sogar 2,3 Prozent betragen, heißt es im „Consensus Forecast“. Das ist der Mittelwert der Prognosen von 28 Forschungsinstituten, Banken und Versicherungen.

Die Inflationsrate wiederum, die 2017 bei 1,8 Prozent lag, bleibt demnach mit 1,7 Prozent fast unverändert. Und liegt damit weiterhin im von den Währungshütern der EZB erwünschten Bereich.

Das Wachstum hat also nicht gelitten. Im Gegenteil: Mit seinen Ausgaben für die Flüchtlinge hat der Staat die Wirtschaft sogar stimuliert. 2016 bezifferte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin das damals aktuell durch die Flüchtlingskrise verursachte Wachstumsplus auf 0,3 Prozentpunkte; Ökonomen sprachen von einem „Konjunkturprogramm“.

Rücklage für Flüchtlingskosten ist auf 24 Milliarden Euro gewachsen

Die Staatsfinanzen präsentieren sich ebenfalls solide. Die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen erzielten 2017 insgesamt einen Rekord-Überschuss in Höhe von 38,4 Milliarden Euro (und die Ausgaben für Flüchtlinge, mehr als 20 Milliarden Euro, sind da schon abgezogen). Speziell im Bund steht man mit 2017 schon das vierte Jahr in Folge gut da: „Jeder Haushalt ist ohne Neuverschuldung ausgekommen“, betont der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier. Das Vorjahresplus von 5,3 Milliarden Euro wurde erneut in eine Rücklage für Flüchtlingskosten gesteckt, die damit auf knapp 24 Milliarden Euro angewachsen ist.

Auch auf dem Arbeitsmarkt läuft es weiterhin rund. 2017 waren mit im Jahresschnitt 2,5 Millionen erneut weniger Menschen ohne Arbeit als im Jahr davor, der Wert entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent. 2018 dürfte sie laut Consensus Forecast weiter sinken, auf 5,5 Prozent.

Weniger Arbeitslose – das liegt auch am demografischen Wandel

Zum einen, weil unsere Wirtschaft brummt – zum anderen aber, was oft unterschätzt wird, wegen der alternden Bevölkerung: Der demografische Wandel verringert die Zahl der Erwerbsfähigen um rund 300.000 Menschen im Jahr. Trotzdem erreichte die Zahl der Erwerbstätigen 2017 mit 44,3 Millionen einen neuen Höchststand. Die Unternehmen wiederum beklagen Fachkräftemangel, praktisch quer durch die Branchen. „Zunehmende Arbeitslosmeldungen von Flüchtlingen werden von der grundsätzlich guten Entwicklung kompensiert“, so Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Blickt man nur auf die Menschen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern außerhalb Europas, stehen den nun gut 210.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten rund 190.000 Arbeitslose gegenüber. Weitere 240.000 gelten als „unterbeschäftigt“, absolvieren beispielsweise Integrations- und Sprachkurse. Nach und nach werden diese Maßnahmen auslaufen. Beim IAB rechnet man im Jahresschnitt 2018 mit 60.000 arbeitslosen Flüchtlingen zusätzlich – aber auch mit 80.000 mehr, die eine Beschäftigung bei uns gefunden haben.