Die Stimmung in der baden-württembergischen Industrie ist an einem Tiefpunkt.

Wodurch fühlen sich die Unternehmer am stärksten ausgebremst? Und wo sehen sie Ansätze zur Besserung? aktiv hat sich in der Metall- und Elektrobranche umgehört.

„Den Standort Deutschland attraktiver machen“

Hanno Höhn, Chief Performance Officer & Geschäftsführer von MANN+HUMMEL Deutschland, Hersteller von Filtrationstechnologie:

„Die aktuelle Forderung der IG Metall nach einer Erhöhung von 7 Prozent ist in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage einfach nicht machbar. Eine solche Lohnerhöhung würde die finanzielle Belastung vieler Betriebe weiter verschärfen und die Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Viele Unternehmen stehen bereits jetzt vor großen Herausforderungen und balancieren Innovationsdruck und Kostenmanagement. Angesichts der aktuellen Situation sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, um den Standort Deutschland attraktiver zu machen. Dabei müssen wir offen und konstruktiv zusammenarbeiten sowie weiterhin vor allem auch die Themen Bildung und Bürokratieabbau im Blick behalten. Denn die immensen bürokratischen Auflagen und Verwaltungsvorschriften belasten Unternehmen und hemmen letztendlich den Innovationsprozess.“

„Wir brauchen mehr finanziellen Spielraum“

Dr. Joachim Schondelmaier, CEO des Automobilzulieferers Schondelmaier GmbH Presswerk:

„Als Unternehmen in der Kaltmassivumformung wünsche ich mir von der Politik mehr Beständigkeit in Rahmenbedingungen, um planbar und nachhaltig wirtschaften zu können. Gesellschaftlich beobachte ich einen Wertewandel hin zur Work-Life-Balance, was oft zu reduziertem Engagement im Beruf führt. Von den Sozialpartnern erhoffen wir uns realistische Verhandlungen, da unsere finanziellen Spielräume durch steigende Energiepreise und fehlende Kostenübernahme seitens unserer Kunden stark eingeschränkt sind. Kontinuität und Zusammenarbeit sind entscheidend für unseren Erfolg.“

„Die Fixkosten sind nicht wettbewerbsfähig“

Dr. Till Scharf, Vice President des Automobilzulieferers Boysen Gruppe:

„Inmitten der Transformation brauchen wir ein Umdenken auf breiter Basis: Die Politik muss klare Signale senden, um mit einer Wirtschaftsagenda am Standort Deutschland wieder Investitionsbereitschaft zu schaffen und damit neue Wachstumskräfte zu entfalten. Das Fixkosten-Paket für Löhne, Steuern und Energie ist international nicht wettbewerbsfähig und überlagert die positiven Standortvorteile. Statt noch mehr Bürokratie aus Brüssel, Berlin und Stuttgart brauchen wir schnelle Genehmigungsverfahren und verkürzte Abschreibung bei zukunftsweisenden Green-Tech-Lösungen sowie bezahlbare Transformationsflächen. Forschung und Lehre müssen gezielt eingebunden werden, um neue Produkte schneller lokal industrialisierbar zu machen. Bildung muss wieder cool – und damit konsequent digital – sein. Mehr Leistungsbereitschaft und etwas weniger Life-Balance sehe ich als einen weiteren wichtigen Baustein.“

„Ich wünsche mir mehr Planungssicherheit“

Michael Hehl, geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung beim Maschinenbau-Unternehmen Arburg:

„Die Herausforderungen für Unternehmen, deren Heimat Baden-Württemberg ist und deren Produkte weltweit eingesetzt werden, sind so hoch wie nie zuvor. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Planungssicherheit für uns Unternehmer und weniger Regulierungen durch die Bundesregierung und die EU. Denn zusätzlich zu den enorm hohen Standortkosten in Bezug auf Material, Personal und Energie machen es diese zunehmend schwerer und hindern immer mehr daran, in Deutschland wirtschaftlich zu produzieren und global wettbewerbsfähig zu agieren.“

„Bürokratische Hürden bedeuten Aufwand und Kosten“

Dr. Jens von Lackum, Vorstandsvorsitzender der Aesculap AG sowie für die Sparte verantwortliches Mitglied im B. Braun-Vorstand, Hersteller von Medizintechnologie:

„Unsere Vision bei B. Braun ist, die Gesundheit von Menschen zu schützen und zu verbessern. Das gelingt am besten in einem innovationsfreundlichen Umfeld, in dem wir neue Technologien schnell zur Anwendung bringen können. Dafür sind Fachkräfte, also gut ausgebildete Menschen, wichtig, aber auch Zugang zu Daten und deren verlässliche Nutzung statt bürokratischer Hürden, die großen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen. Und das über unsere Landesgrenzen hinweg in einem geeinten, friedlichen und demokratischen Europa.“

„Wir brauchen Verbindlichkeit der Politik“

Martin Peters, geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Eberspächer Gruppe:

„Als Automobilzulieferer gestalten wir Transformation für die Mobilität der Zukunft. Um erfolgreich zu sein, erfordert dies Investitionen in neue Technologien bei aktuell sehr hoher Unsicherheit. Wir benötigen dringend Verbindlichkeit der Politik für den Einsatz verschiedener Technologien – auch für unsere langfristigen Planungen etwa beim Thema Wasserstoff. Statt stetig wechselnder Anforderungen und Förderungen sind klare Schritte notwendig. Dieser Fahrplan muss deutlich weniger bürokratische Hürden beinhalten. So können Unternehmen ihre Ressourcen in die Forschung stecken und insgesamt der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder nachhaltig gestärkt werden.“

„Mut zur Industriepolitik“

Thomas Reinartz, CEO des Raumfahrtzulieferers TESAT:

„Die Raumfahrt, genau genommen die Satellitenkommunikation, gehört heute zum Alltag der Menschen dazu. Ohne diese Technik wäre die Kommunikation stark eingeschränkt, Wetterprognosen wären nicht möglich und Navigationssysteme nicht funktionsfähig. Die Politik sollte sich daher verstärkt mit dem Thema der Raumfahrt auseinandersetzen, um das Leben der Menschen zu vereinfachen und das Vertrauen in die Politik zu stärken. Dies beinhaltet Investitionen in Zukunftstechnologien, die Sicherheit Europas und den Mut, bei gleichzeitiger nachhaltiger Finanzplanung, industriepolitisch zu agieren. Darüber hinaus müssen geeignete Rahmenbedingungen für widerstandsfähige Lieferketten geschaffen werden und Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand erhalten bleiben.“

„Der Preisdruck nimmt international zu“

Katrin Shen und Oliver Wirth, Geschäftsführer der Bareiss Prüfgerätebau GmbH:

„Als Hersteller für physikalische und rheologische Messtechnik sind die konjunkturellen Probleme vor allem im Inland und im asiatischen Ausland deutlich spürbar. Im internationalen Vergleich sind wir zunehmendem Preisdruck ausgesetzt. Dies zwingt uns zum einen dazu, Prozesse in Produktion und Administration ständig zu optimieren, zum anderen werden wir unter den immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen auf lange Sicht preislich nicht mehr konkurrieren können. Daher ist es für uns umso wichtiger, innovative Lösungen zu entwickeln und diese in immer schnelleren Zyklen auf den Markt zu bringen. Daran arbeiten wir seit Beginn der Coronakrise noch intensiver, was den derzeitigen Rückgang in manchen Geschäftsbereichen teilweise kompensiert.“

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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