Offenbach. Cube, ein Robo-Taxi von Continental Automotive in Frankfurt, war der Hingucker beim diesjährigen Hessenforum in Offenbach. Auch Ministerpräsident Volker Bouffier und der Hessenmetall-Vorsitzende Wolf Matthias Mang nutzten die Gelegenheit, sich das Entwicklungskonzept für fahrerlose Fahrzeuge gemeinsam mit Ariane Reinhart genauer anzuschauen.
Wie die Arbeitsdirektorin, Mitglied des Vorstands von Continental, erläuterte, sind bei Conti aktuell zwei Cubes auf dem Firmengelände in Frankfurt unterwegs, um so Erfahrungen zu sammeln für die Weiterentwicklung von Abstandswarnsystemen, Kameras, Radar und Weiteres mehr.
Technologie und Sicherheit Hand in Hand
Das bunte Robo-Taxi war eins von vielen Konzepten und Ideen, über die beim 29. Hessenforum in der Alten Schlosserei in Offenbach diskutiert wurde. Die Großveranstaltung des Arbeitgeberverbands Hessenmetall stand diesmal ganz im Zeichen von „Mobile Zukunft: selbstfahrend, vernetzt, geteilt, elektrisch“. 240 hochrangige Gäste aus Hessens größter Industrie kamen zum Erfahrungsaustausch.
Wie Vorträge und Diskussionen zeigten, fordern neue Mobilitätstrends und vier parallel laufende Antriebskonzepte die Unternehmen der hessischen Metall- und Elektro-Industrie heraus. Gefragt sind Strategien für die umweltfreundliche Weiterentwicklung der Benzin- und Dieselmotoren, die Entwicklung neuer Komponenten für Elektromobile und zum Umbau von Strukturen und Arbeitsbedingungen.
„Das Automobilzulieferland Hessen und unsere hessischen M+E-Unternehmen sind gut auf diesen Wandel und die Mobilität der Zukunft vorbereitet“, betonte Vorstandsvorsitzender Mang und bezog sich dabei auf eine aktuelle Umfrage des Verbands bei seinen Mitgliedsunternehmen.
Bouffier sieht Elektromobilität als Schwerpunkt der Politik
Laut Bouffier ist die Elektromobilität einer der Schwerpunkte der politischen Arbeit der hessischen Landesregierung. So werden unter anderem Maßnahmen gefördert, die die Praxis- und Alltagstauglichkeit von E-Mobilitätänachweisen.
Schon jetzt sei man stolz auf das Erreichte, sehe aber weiter großes Potenzial vor allem beim Ausbau der Lade-Infrastruktur. Beim automatisierten und vernetzten Fahren seien jedoch die Automobilhersteller gefragt. Bouffier: „Sie müssen Vertrauen in ihre Technologien schaffen, Technologie und Sicherheit müssen Hand in Hand gehen, damit die Bürgerinnen und Bürger später einmal einen Computer ans Lenkrad lassen.“
Wie gut sich die Betriebe bereits auf die Zukunft eingestellt haben, zeigen die Ergebnisse der Frühjahrsumfrage unter den Mitgliedsunternehmen von Hessenmetall. 125 Mitgliedsunternehmen mit über 40.000 Beschäftigten haben sich daran beteiligt. 35 Prozent davon rechnen sich den Branchen Automobilhersteller und Zulieferer zu. Die Befragten sehen aktuell vier Mobilitätstrends.
Vernetzung selbstfahrender Autos mit dem ÖPNV
In der Reihenfolge ihrer stärksten Ausprägungen sind das: mehr vernetzte, mehr gemietete, mehr selbstfahrende Fahrzeuge und eine stärkere Kombination aus öffentlichem Personen-Nahverkehr (ÖPNV) und Individualverkehr. Die Mehrzahl der Unternehmen hält den Trend zu vernetzten Fahrzeugen für wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich. Gut 70 Prozent rechnen damit, dass der Trend bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre Wirklichkeit wird.
Der Individualverkehr werde dennoch auch in Zukunft seine Bedeutung behalten, seine Ausprägung werde sich allerdings verändern. Die Hälfte der Teilnehmer glaubt auch, dass sich die Grenzen zum ÖPNV lockern werden.
Bei der wachsenden Vielfalt der Antriebe – Benziner, Dieselmotoren, batterie- oder brennstoffzellen-betriebene Elektromobile – erwarten die Befragten, dass alle vier Konzepte die nächsten 30 Jahre parallel laufen. Mang: „Diese Antriebe werden je nach Zweck und Regionen der Welt beziehungsweise in städtischen oder ländlichen Bereichen ihren Markt finden.“
Wie er betonte, geht es im Auto- und Mobilitätsmarkt um „evolutionäre Weiterentwicklungen und Optimierungen an den Märkten“ und nicht um Disruption wie bei der digitalen Transformation, also die Veränderung der Marktspielregeln oder Verdrängung bestehender Technologien durch Innovation. Der Arbeitgeberpräsident: „Technologieoffenheit und strategische Szenarios sind das Gebot der Stunde.“
Laut Bernd Diepenseifen von der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Frankfurt werden die Autozulieferer der Verlagerung von Produktionsstätten aus Westeuropa in Weltregionen mit stark wachsender Bevölkerung teilweise folgen und müssen auch technologisch mehr Vielfalt wagen.
Menschliche Vielfalt wertschätzen und fördern
Diepenseifen nahm die Zeit bis 2030 in den Blick. Bis dahin werde Konnektivität die Standardausstattung von Fahrzeugen neu definieren. Autos würden stärker zu Datenkonsumenten und -produzenten. Der KPMG-Partner: „Die Bedeutung klassischer Zulieferer wird wachsen, wenn sie eine Vertrauensposition im Bereich Data & Cyber-Sicherheit halten oder ausbauen können.“
Wie Continental-Arbeitsdirektorin Ariane Reinhart betonte, sind die wichtigsten Voraussetzungen, um die Chancen des digitalen Wandels vollständig nutzen zu können, offene, lernbereite Mitarbeiter mit digitalen Kenntnissen und der Fähigkeit, arbeitsplatzübergreifend zu denken, kombiniert mit einer agilen Organisation.
Reinhart: „Unternehmen müssen ein Umfeld schaffen, in dem ihre Mitarbeiter kreativ und innovativ sein können. Dazu bedarf es netzwerkartiger Organisationsstrukturen, wenig hierarchischem Denken, Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und einer inspirierenden Unternehmens- und Führungskultur, die menschliche Vielfalt wertschätzt und fördert.“