Deutschland hat in den letzten Jahren viel von seiner wirtschaftlichen Stärke eingebüßt. Zwei Jahre in Folge steckt das Land bereits in der Rezession, Besserung: Fehlanzeige! Und die wirtschaftliche Krise ist inzwischen auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Viele Industrieunternehmen bauen massiv Stellen ab, auch in Bayern.
Diese Entwicklung verfolgt die vbw, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, seit Langem besorgt. Präsident Wolfram Hatz bringt die Problemlage in fünf Sätzen auf den Punkt: „Wir sind als Standort zu teuer. Wir sind zu kompliziert. Wir sind zu wenig für die Zukunft gerüstet. Wir sind zu alt. Und wir sind zu leistungsfeindlich.“
Klar sei: „Wir können diesem Niedergang nicht länger tatenlos zusehen.“ Die vbw beschreibt daher im „DeutschlandPlan 2030“ detailliert, was für eine Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik nötig ist. Damit nach der Wahl keine wertvolle Zeit verstreicht, nennt sie zudem im 100-Tage-Programm schnell zu realisierende Vorschläge, die das Land auf den richtigen Kurs bringen. Sie orientieren sich an den fünf Hauptproblemen:
- Zu teuer: Senkung der Unternehmensteuern auf 25 Prozent. Bezahlbare Energie. Gesamtkonzept für die sozialen Sicherungssysteme mit Beitragssätzen unter der 40-Prozent-Schwelle.
- Zu kompliziert: Abbau bürokratischer Belastungen – etwa sofortige Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes.
- Zu wenig für die Zukunft gerüstet: Sozial- und Konsumausgaben senken und gespartes Geld in Bildung, Infrastruktur und Verteidigungsfähigkeit stecken.
- Zu alt: Dem demografischen Wandel mit flexiblem Arbeitszeitrecht begegnen, um mehr inländisches Arbeitskräftepotenzial zu heben. Zuwanderung in den Arbeitsmarkt besser steuern und illegale Migration eindämmen.
- Zu leistungsfeindlich: Arbeit und Leistung müssen sich lohnen. Daher muss sofort ein neues Konzept für das Transfersystem aus Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag her, das Bürgergeld gehört in jetziger Form abgeschafft.
Ausführlich stellt die vbw die Probleme und Stellschrauben im großen DeutschlandPlan 2030 vor. Dabei nennt sie auch konkrete Maßnahmen, die zur Wirtschaftswende beitragen.
1. Deutsches Steuerrecht auf Wachstumskurs trimmen
Auf Investitionen setzen: Mehr Wachstum gibt es, wenn Unternehmen mehr investieren. Doch sie halten sich zurück, weil gerade die hohe Steuerlast in Deutschland wirtschaftliche Expansion unattraktiv macht.
Unternehmensteuern senken: Knapp 30 Prozent Steuern entfallen in Deutschland auf Unternehmensgewinne – im EU-Schnitt sind es nur 21! Auch die Steuerbürokratie ist andernorts unkomplizierter. Um wettbewerbsfähig zu sein, muss etwa der Unternehmensteuersatz auf 25 Prozent runter sowie die Steuerverwaltung digitalisiert werden.
2. Bürokratie-Abbau hilft der Konjunktur
Hohe Belastung: Statistiken hier, Prüfungen dort, Meldepflichten zu allem und jedem: Firmen müssen immer mehr Zeit und Geld aufwenden, um ihre Bürokratiepflichten zu erfüllen – Zeit und Geld, die dann etwa für Zukunftsinvestitionen fehlen.
Stopp der Regulierungswut: Ein Belastungsmoratorium muss her, damit neue Bürokratie gar nicht erst entsteht. Alte Vorschriften müssen auf den Prüfstand, bei einem neuen müssen Gesetz mindestens zwei alte abgeschafft werden („one-in-two-out“).
Chancen der Digitalisierung nutzen: Werden Daten digital erhoben, können sie, unter Wahrung des Datenschutzes, für viele Zwecke verwertet werden. Das muss das Ziel sein.
Bürokratieabbau in der EU: 60 Prozent der belastenden Regeln stammen aus Brüssel. Die neue Regierung muss gegensteuern.
3. Für bezahlbare Energieversorgung die Strompreise senken
Mehr Wettbewerbsfähigkeit: Gerade die Industrie benötigt viel Strom für ihre Produktion. Die Kosten dafür sind aber im internationalen Vergleich sehr hoch. Das verteuert Produkte und bringt erhebliche Nachteile auf den international vernetzten Märkten.
Entlastung bei den Energiepreisen: Der Strompreis muss auf ein global wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt werden. Ansonsten droht die Abwanderung energieintensiver Unternehmen und Industrien.
Erneuerbare ausbauen: Alle erneuerbaren Energien müssen konsequent ausgebaut werden, inklusive der benötigten Netzinfrastruktur. Scheint keine Sonne und weht kein Wind, müssen neue Gaskraftwerke als Back-up bereitstehen, die später mit Wasserstoff betrieben werden. Ein Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft muss daher ebenfalls zügig angegangen werden.
4. Für die soziale Sicherung eine grundlegende Reform der Systeme angehen
Eigenverantwortung stärken: Aufgabe des Sozialstaats ist es, eine Absicherung gegen zentrale Lebensrisiken zu geben und diejenigen zu schützen, die unverschuldet in Not geraten. Umgekehrt heißt das: Jeder, der kann, leistet seinen Beitrag eigenverantwortlich. Dieses Prinzip muss konsequent wieder gelten.
Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren: Umlagefinanzierte Systeme wie Rente, Kranken- und Pflegeversicherung geraten durch den demografischen Wandel unter Druck: Immer weniger Beitragszahler kommen auf immer mehr Empfänger. Das muss sich ändern. Zum einen durch mehr Eigenverantwortung: zusätzliche Altersvorsorge, mehr Eigenbeteiligung bei Gesundheitskosten, private Pflegevorsorge. Zum anderen darf aber auch die Anpassung des Rentenalters aufgrund der demografischen Entwicklung kein Tabu mehr sein.
5. Bei der Zuwanderung insbesondere von Fachkräften gezielt steuern
Arbeits- und Fachkräftebedarf decken: Aufgrund des demografischen Wandels fehlen in Deutschland Arbeits- und Fachkräfte. Selbst wenn noch mehr inländische Arbeitskräfte gewonnen werden, reicht dies nicht aus, um den Bedarf zu decken.
Gezieltes Anwerben: Es gilt, ausländische Fachkräfte gezielt anzuwerben und Zugangshürden zum Arbeitsmarkt abzubauen, etwa durch standardisierte Verfahren und digitale Unterstützung.
Eindämmung illegaler Migration: Politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge sollen weiter Schutz bekommen. Konsequent eingedämmt werden muss aber illegale Migration von Menschen ohne Bleibeperspektive. Es muss klar sein, auf wen das zutrifft.
6. Arbeit verschlanken, indem das Arbeitsrecht flexibilisiert wird
Starres Korsett: Unternehmen fällt es extrem schwer, schnell und flexibel auf Auftragsspitzen zu reagieren. Andererseits haben sie aber Zeiten mit weniger Produktionsauslastung. Ein Ausgleich fällt schwer, denn unser Arbeitszeitrecht setzt starre Schranken bei der täglichen Höchstarbeitszeit.
EU-Arbeitszeitrichtlinie: Besser wäre es, die europäische Arbeitszeitrichtlinie einzusetzen, mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von im Schnitt 48 Stunden. Dadurch können auch Arbeitnehmer Familie und Beruf besser vereinbaren.
Wichtige Instrumente stärken: Zeitarbeit, Werkverträge oder etwa Befristungen helfen, Krisenzeiten zu überbrücken, und müssen daher gestärkt werden.
7. Alle Bereiche der Infrastruktur modernisieren
Viel Nachholbedarf: Marode Straßen, unzureichende Schienen-Infrastruktur, zu wenig Wohnraum und fehlendes Tempo beim Ausbau der Gigabit-Infrastruktur: Seit vielen Jahren investiert der Staat hier zu wenig, sodass wir hinter dem Bedarf zurückbleiben. Dabei ist eine leistungs- und zukunftsfähige Infrastruktur die Grundlage, auf der sich Wirtschaft und Gesellschaft entfalten können.
Verfahren beschleunigen: Selbst wenn Geld bereitgestellt wird, kommen Infrastrukturvorhaben oft nicht in Gang. Die Planungsverfahren sind zu bürokratisch, dauern zu lange: Das verteuert die Projekte.
Förderung sicherstellen: Für den Ausbau der Gigabit-Infrastruktur braucht es kontinuierliche staatliche Förderung, um entlegene Gebiete anzuschließen. Für ein Sicherstellen der Mobilität müssen alle Verkehrsträger als Gesamtsystem berücksichtigt werden.
8. Mehr Raum für Innovationen bei neuen Technologien
Standortattraktivität steigern: Deutschland ist ein Land der Tüftler und Erfinder – doch zunehmend erschweren es die Rahmenbedingungen, dass Innovationen am Standort umgesetzt werden und so Wertschöpfung und Beschäftigung sichern. Diese Hürden müssen abgebaut werden. Zudem gilt es, die Forschungsförderung technologieoffen auszuweiten, damit insbesondere Schlüsseltechnologien entwickelt und umgesetzt werden können.
Spitzenposition bei Schlüsseltechnologien: Digitalisierung greift als Querschnittstechnologie in viele Bereiche, treibt Innovation voran, macht Prozesse effizienter und schafft neue Wertschöpfung. Hier muss Deutschland an der Spitze sein.
9. Bildung zukunftsorientiert gestalten
Bildung sichert Transformation: Die Unternehmen stehen vor tiefgreifenden Veränderungen: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Auffangen des demografischen Wandels. Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte sind zentral für den Erfolg dieses Wandels. Entsprechend hoch muss die Qualität auf allen Ebenen des Bildungssystems sein.
Studium und Ausbildung: Betriebe brauchen sowohl Absolventen von Hochschulen als auch der dualen Ausbildung. An Universitäten muss die Lehre digitalisiert und internationalisiert werden. Die duale Ausbildung muss ihre Chancen klarer herausstellen.
Berufliche Weiterbildung fördern: Lebenslanges Lernen ist wichtig. Maßnahmen für Beschäftigte müssen sich aber am Bedarf der Firma orientieren.
10. Effiziente und bezahlbare Maßnahmen beim Klimaschutz entscheidend
Auf Technologie setzen: Technologische Innovationen sind ein Schlüssel für effektiven Klima- und Umweltschutz. Ihre Förderung und Entwicklung kann neue Geschäftsfelder eröffnen.
Ökologie und Ökonomie: Nur mit einer gesunden wirtschaftlichen Grundlage kann Deutschland Investitionen in die ökologische Transformation stemmen. Der Staat muss sicherstellen, dass Unternehmen aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Anreize statt Verbote: Es gilt, gezielt Anreize für klimafreundliche Technologien zu schaffen. Das ermutigt Betriebe, aber auch Privatleute, mehr in Umwelt- und Klimaschutz zu investieren.
11. Zeitenwende bei der Verteidigung fest verankern
Ins Umsetzen kommen: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die Ampelregierung richtig reagiert und eine sicherheitspolitische Zeitenwende ausgerufen. Doch sie wird nicht konsequent umgesetzt – hier muss mehr Tempo her!
Freiheit als Wert: Frieden, Freiheit und Sicherheit sind hohe Güter – und unsere Gesellschaft muss sich dazu bekennen, diese zu verteidigen.
Das brauchen wir dafür: Eine Erhöhung unserer Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit, eine Intensivierung der Beschaffungsoffensive der Bundeswehr, eine Entschlackung des Beschaffungswesens. Zudem nötig sind ein langfristiges Finanzierungskonzept, die Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und eine vertiefte Zusammenarbeit in der EU.
12. Europa stärken als stabilen Anker in der Welt
Welthandel als Wohlstandsgarant: Der europäische Markt sowie das außereuropäische Ausland sind wichtige Abnehmer für unsere exportorientierte Wirtschaft. Doch internationale Krisen, Protektionismus und Handelskonflikte machen das System immer fragiler. Dennoch brauchen wir die bestehenden internationalen Wirtschaftsbeziehungen, da sie ein Garant unseres Wohlstands sind.
EU weiter stärken: Die EU steht für Stabilität. Eine neue Regierung muss aber darauf achten, dass die EU wieder einen Fokus auf Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit legt statt auf Bürokratie. Ebenso sollte sie sich dafür einsetzen, dass die EU selbstbewusst als eigenständiger Akteur in der Welt auftritt.

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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