Von einem Arbeitsleben als Einzelgänger
Die Betriebe umwerben die Schulabgänger wie lange nicht mehr. Nachwuchs ist knapp. Zigtausende Ausbildungsplätze sind noch immer unbesetzt – unter anderem in der Industrie. Und dennoch gibt es Jugendliche, die einen ganz anderen Weg einschlagen. Eine mutige Entscheidung.
„Aussterben wird der Beruf aber sicher nicht.“ Das sagt Konstantin Kraft, Vorsitzender des Verbands Deutscher Glasbläser. Wenn zum Beispiel ein Restaurant seinen Namen als geschwungenen Schriftzug über dem Eingang leuchten lassen wolle, „dann wirkt nichts edler als die Leuchtröhre“. Und die kann keine Maschine hinbiegen. Kundschaft wird es also weiter geben.
Doch wie kommt man auf die Idee, sich einen Beruf zu suchen, den fast keiner kennt? Bei Lüthy gab der Vater den Anstoß. „Der kannte um zwei Ecken meinen heutigen Chef“, erinnert er sich.
Seine Klassenkameradin Ramona Weber wiederum verdankt die Entscheidung ihrem Lehrer auf der Hauptschule. „Vorher hatte ich mir wenig Gedanken über meine Ausbildung gemacht“, sagt die angehende Glasapparatebauerin, „jetzt finde ich es gerade toll, dass mein Beruf so selten ist.“
Ganz so allein wie Lüthy steht die 18-Jährige aber nicht da. 22 weitere Frauen und Männer lernen am Glas-Standort Wertheim das Gleiche wie sie: Herstellung von Labor-Glasgeräten für Forschung und Industrie. „Ich kann mir also schon mal bei jemand anderem etwas abschauen oder mir Tipps geben lassen“, sagte sie.
Facharbeiter und Künstler
Lüthy kann das nicht. „Manchmal ist es schon schade, dass ich keine Berufskollegen habe“, sagt er nachdenklich. Fachsimpeln, sich über ein Problem austauschen: Es gibt niemanden, mit dem er das kann.
Dafür aber macht ihm nach absolvierter Ausbildung so schnell auch keiner was vor. Ein Plus, das auch Tobias Hörning zu schätzen weiß. Der 27-Jährige arbeitet schon einige Jahre als Thermometer-Macher. Insgesamt sechs Jugendliche lassen sich zurzeit dazu ausbilden.
Was er außerdem mag an seiner Arbeit: „Wir sind nicht nur Facharbeiter, sondern auch Glaskünstler.“ Weil nicht jeder Arbeitsschritt genormt ist, kann er individuell an sei-ne Aufgabe rangehen.
Massenware produziert er ohnehin nicht, die kommt aus Asien. „Ob Thermometer für Schiffsdiesel oder für den Transport von Blutkonserven: Wir stellen uns auf jeden Kunden ein.“
Im Krisenjahr 2009 kamen zwar deutlich weniger Aufträge aus aller Welt. Drei Monate lang gab es deshalb Kurzarbeit in dem Familienbetrieb, der Hörning beschäftigt.
Auf Partys im Mittelpunkt
Gefährdet sieht er seinen Arbeitsplatz dennoch nicht. Obwohl in ganz Deutschland nur noch drei Firmen Thermometer-Macher brauchen. „Was ich kann, ist immer gefragt“, sagt er selbstbewusst. Auch digitale Thermometer machen ihn nicht überflüssig. „Wer die herstellt und justieren will, braucht dazu eines von unseren Glasthermometern.“
Ein Problem aber eint alle drei: „Keiner kann sich unter meinem Beruf etwas vorstellen“, sagt Hörning. „Doch er sorgt immer für Gesprächsstoff“, freut sich Lüthy. Und so kann es sein, dass der Einzelgänger auf Partys plötzlich im Mittelpunkt steht.
Info: Drahtmacher und Diamantschleifer
Nicht nur in der Glasbläser-Branche gibt es seltene Berufe. So starteten zum Beispiel im Jahr 2009 nur ein Drahtwarenmacher, ein Diamantschleifer und ein Edelsteingraveur in die Lehre. Flechtwerkgestalter für Körbe und Möbel wollten drei Jugendliche, Bürsten- und Pinselmacher vier und Holzspielzeugmacher acht junge Leute werden.
Informationen zu allen Ausbildungsberufen gibt es bei den Arbeitsagenturen unter: www.berufenet.arbeitsagentur.de