München. In vier Stunden von München nach Berlin. Schon seit Ende 2017 geht das nicht nur mit dem Flugzeug, sondern auch mit der Bahn. Möglich gemacht hat es das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8“, eine Hochgeschwindigkeitstrasse für den ICE über Nürnberg, Erfurt und Halle. Der Bau war ein Mammutprojekt von nationaler Bedeutung. Die Kosten des Aus- und Neubaus beliefen sich auf rund 10 Milliarden Euro. 27 Tunnel mussten gebohrt und 37 Talbrücken gebaut werden.

Aber der Aufwand hat sich gelohnt. Denn das Projekt hat Regionen näher zusammengebracht. Das gilt nicht nur für die großen Metropolen, sondern auch für die Einzugsgebiete kleinerer Städte, in denen einige der Schnellzüge halten. In Bayern sind das zum Beispiel Erlangen, Coburg und Bamberg.

Die Regionen entlang der alten Grenze sind wirtschaftlich enger zusammengewachsen

Die Menschen aus den alten und neuen Ländern sind sich seit der Einheit vor 30 Jahren ein ganzes Stück nähergekommen. Die Richtung stimmt. Insbesondere entlang der früheren innerdeutschen Grenze sind die Regionen inzwischen immer enger zusammengewachsen – nicht nur kulturell und gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich. Und davon profitieren nicht nur ostdeutsche Bundesländer wie Thüringen und Sachsen, sondern auch Bayern.

Beispielhaft für diese Entwicklung ist das BMW-Werk in Leipzig. Seit 2005 werden auf dem 229 Hektar großen Gelände Premiumfahrzeuge für Kunden in aller Welt gebaut. Bislang wurden nach Konzernangaben rund 2 Milliarden Euro in den Standort investiert. Das hat nicht nur der Region um Leipzig wirtschaftlich enormen Auftrieb gegeben. BMW profitiert von der großen Anzahl an gut ausgebildeten Menschen am Standort. Aktuell bauen dort mehr als 5.000 Mitarbeiter rund 1.000 Autos täglich, vor allem Modelle der 1er- und 2er-Reihe.

Wie wichtig die Einheit für Nordbayern war, zeigt die positive Entwicklung der früheren bayerischen Grenzregionen in Unter- und Oberfranken. Sie befanden sich lange in einer äußerst schwierigen Randlage am Eisernen Vorhang, ökonomisch abgehängt und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung stark gehemmt.

Fachkräftemangel statt Arbeitslosigkeit

30 Jahre nach der Wiedervereinigung und nach vielen Anstrengungen, Anpassungsprozessen und staatlichen Investitionen stehen die Regionen jetzt besser da denn je. Sie liegen nun in der Mitte Deutschlands mit vielfältigen Wirtschaftsbeziehungen in die neuen Länder und nach Osteuropa.

Bei zahlreichen Wirtschaftsindikatoren wie etwa Wohlstand oder Arbeitslosigkeit haben die einstigen Sorgenkinder den Abstand zu den wirtschaftsstarken Regionen im Süden Bayerns verkürzt, wie eine Studie im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft bescheinigt. „Spätestens seit 2011 befindet sich die Grenzregion in einem umfassenden Aufholprozess“, lautet das Fazit der Experten.

Mittlerweile ist in Nordbayern nicht mehr wie früher die Arbeitslosigkeit ein großes Problem, sondern vielmehr der zunehmende Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. Dazu trägt auch die demografische Entwicklung bei. Umso wichtiger ist es, dass die Wirtschaft dort mit den Grenzregionen Thüringens und Sachsens eng verflochten ist – und auf Pendlerströme vertrauen kann. Während 2018 rund 61.000 Menschen von dort nach Unter- und Oberfranken einpendelten, fuhren nur 17.000 in die entgegengesetzte Richtung. Bayern ist ein Beschäftigungsmotor – auch für den Osten.