Dem Ausbilder sagen, was er im Umgang mit Azubis noch verbessern könnte? Nur mutige Azubis hätten sich so was früher getraut. In der Generation Z ist so viel Offenheit normaler. Wer zwischen den späten 1990er und den frühen 2010er Jahren geboren ist, kennt seinen Wert – und seine Werte: Flexibilität, eine sinnstiftende Tätigkeit und eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit gehören laut Studien dazu. Darauf müssen heute auch Unternehmen eingehen.
Denn aktuell ist der Arbeitsmarkt immer noch „bewerberorientiert“, wie Andreas Fuchs, Talent Acquisition Manager bei Hager, das nennt: Es gibt schlicht mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Wie viele andere Mittelständler war das Unternehmen aus Blieskastel am 25. März deshalb bei der Langen Nacht der Industrie in Saarbrücken präsent. Das Ziel: junge Menschen begeistern für einen Job in der Industrie. Aber wie passen sich Firmen der Gen Z an? aktiv hat nachgefragt.
Eine Generation, die Fragen stellt

Seit vier Jahren ist Anna Keller beim Automatisierungsspezialisten Festo Personalleiterin für das Saarland. Sie sagt: Wer erwartet, dass sich Azubis ans Unternehmen anpassen, muss selbst offen für Veränderungen sein.
Frau Keller, Festo feiert dieses Jahr 100-jähriges Bestehen. Die Mitarbeitergewinnung wird sich seitdem stark verändert haben …
Ja und nein. Natürlich bespielen wir mittlerweile die Social-Media-Kanäle, aber unser wichtigstes Tool im Recruiting ist nach wie vor die Mundpropaganda. Im Saarland leben rund eine Millionen Menschen, 2.500 davon arbeiten bei Festo. Gefühlt kennt jeder jemanden, der bei uns tätig ist oder war und meist sehr gerne davon erzählt. Zunehmend sind es auch junge Frauen, die nach der Schule in die Fußstapfen des Papas oder des großen Bruders treten und bei uns anfangen.
Reicht es denn, nur Schulabsolventen in den Fokus zu nehmen?
Da die klassischen, konservativen Rollenbilder den Kindern oftmals schon in der Kita eingeprägt werden, fangen wir genau da an. Mit diversen Programmen von der Vorschule bis zu den höheren Klassen versuchen wir nachhaltig für Technik zu begeistern. Im Recruiting-Prozess begegne ich immer wieder jungen Menschen, die unsere Programme durchlaufen haben und sich deshalb für einen M+E-Beruf entscheiden.
Welche Rolle spielen die Eltern bei der Berufswahl?
Eine enorm wichtige! Das merken wir sogar bei etwas älteren Azubis, die sich während des Studiums umorientiert haben. Der Rückhalt zu Hause ist nicht zu unterschätzen. Deshalb laden wir zu Team-Events oftmals auch die Eltern der Azubis ein oder bieten Eltern-Praktika an. So können sie live vor Ort erleben, was ihr Kind beruflich jeden Tag macht. Ein transparenter Arbeitgeber ist für viele Eltern enorm wichtig.
Mit welchen Benefits überzeugt man die jungen Bewerber?
Das sind größtenteils ganz pragmatische Dinge, wie etwa die gute Erreichbarkeit und Anbindung des Ausbildungsorts. Natürlich sorgen wir auch für eine gute IT-Ausstattung, die eben nicht jeder von zu Hause mitbringt. Einen unbefristeten Job in Aussicht zu haben, scheint nicht mehr so ausschlaggebend zu sein. Und auch das Gehalt spielt in unseren Bewerbungsprozessen eher eine kleinere Rolle, da wir uns durch die Tarifbindung nicht stark von der Konkurrenz unterscheiden.
Der Gen Z wird oftmals nachgesagt, sie wolle nicht arbeiten …
… und das lasse ich ungern so stehen. Wir haben es aktuell mit einer Bewerbergeneration zu tun, die Fragen stellt und eine Sinnhaftigkeit in ihrer Tätigkeit erkennen will. Dieses Hinterfragen kann ein riesiger Vorteil für ein Unternehmen im globalen Wettbewerb sein. Deutschland als Hochlohnland hat nur dann eine Chance, wenn wir effizienter und produktiver werden. Da sind junge Menschen, die Dinge verändern und verbessern möchten, doch eigentlich ein Segen. Mit einem „Das haben wir schon immer so gemacht!“ lässt sich keine zukunftsfähige Industrie gestalten.
„Es geht um Sinn und Wertschätzung“

Hager produziert in Blieskastel Zählerschränke und andere elektrotechnische Installationen für Immobilien. Andreas Fuchs ist seit 35 Jahren im Unternehmen. Seit zwei Jahrzehnten kümmert er sich als Talent Acquisition Manager um Auszubildende und dual Studierende.
Herr Fuchs, tickt die Gen Z anders als frühere Azubi-Generationen?
Teils, teils. Einige Erwartungen haben sich gar nicht so stark verändert: Ein sicherer Arbeitsplatz zum Beispiel oder ein gutes Gehalt sind jungen Leuten immer noch wichtig. Anderes hat sich aber auch gewandelt: Heute geht es viel mehr als noch vor 15, 20 Jahren um die Sinnhaftigkeit des Jobs und die Wertschätzung am Arbeitsplatz. Auszubildende sind heute auch selbstbewusster als früher. Sie stellen Forderungen und sprechen Dinge offen an – das ist ein echtes Plus.
Wie gehen Sie bei Hager darauf ein?
Zum Beispiel, indem wir unseren Auszubildenden einen abwechslungsreichen Durchlaufplan ermöglichen und sie frühzeitig in kleinere Projektarbeiten einbinden. So weit wie möglich bieten wir auch flexible Arbeitszeiten. Und wir fördern gezielt. Das sind sicher Gründe dafür, warum unsere Übernahmequote aktuell bei rund 90 Prozent liegt.
Die Quote ist gut. Aber finden Sie auch immer genügend Bewerber?
Der Ausbildungsmarkt im Saarland ist – wie in anderen Bundesländern und Branchen auch – stark bewerberorientiert. Das heißt, die Zahl der Ausbildungsstellen ist deutlich größer als die der Suchenden. Konkret: Vor rund 15 Jahren haben wir durchschnittlich 1.000 Bewerbungen pro Jahr bekommen. Im letzten Jahr waren es gerade noch 300.
Woran liegt das?
Zum einen sicher am demografischen Wandel: Die Zahl der Schulabgänger sinkt kontinuierlich. Hinzu kommt, dass sich heute mehr Jugendliche als früher für die weiterführende Schule oder ein Studium und gegen eine Ausbildung entscheiden. Beides facht den Wettbewerb um geeignete Auszubildende an.
Andererseits ist die Wirtschaft zurzeit in Schieflage. Firmen sparen – auch bei Ausbildungsplätzen. Merkt man das schon auf dem Bewerbermarkt?
Der Effekt kann sich in Zukunft bemerkbar machen. Allerdings scheiden bald die Babyboomer aus dem Arbeitsleben aus. Ein Ende des Fachkräftemangels sehe ich deshalb nicht.
In welchen Bereichen sucht Hager Azubis und dual Studierende?
Wir bieten ein breites Spektrum an Ausbildungsmöglichkeiten: von technischen Berufsbildern in den Bereichen Elektronik, Metalltechnik, Mechatronik und Kunststofftechnik bis hin zu Ausbildungen in kaufmännischen und IT-Berufen. Duale Studiengänge ermöglichen wir in den Fachrichtungen Engineering, Betriebswirtschaftslehre und Informatik.
Wo ist es gerade besonders schwer, Bewerber zu finden?
Es gibt immer Modeberufe, aktuell etwa den Mechatroniker oder im IT-Bereich den Fachinformatiker für Systemintegration. Mehr Probleme haben wir in der Kunststofffertigung und bei klassischen Berufsbildern wie Industrie- oder Werkzeugmechaniker.
Hager war auf der Langen Nacht der Industrie präsent. Was tun Sie noch, um Bewerber zu finden?
Gezielte Marketing-Aktionen, zum Beispiel in Schulen in der Region. Wir laden auch regelmäßig Schüler zur Berufsinformation oder zu Bewerbertrainings ein. Und wir sprechen inzwischen auch gezielt neue Bewerbergruppen an, zum Beispiel Zeitarbeitnehmer, Studienabbrecher oder Bewerber mit Migrationshintergrund.
Haben Sie auch Ihr Bewerbungsverfahren angepasst?
Wir haben die Prozesse vereinfacht. Wir verzichten jetzt auf ein Anschreiben und verlangen auch nicht mehr die letzten drei Zeugnisse. Ein Lebenslauf und das letzte Zeugnis – das reicht.

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Klavier in einer Band.
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Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe.
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