Nünchritz. Gewaltig und raumgreifend: So steht die Methylchlorsilan-Destillation bei Wacker da. Ihre Kolonnen ragen am Standort im sächsischen Nünchritz weit in den Himmel. Die Anlage dampft nicht. Es zischt auch nicht. Läuft sie überhaupt?
Markus Tietze, Anlagenfahrer und Chemikant, ist gerade auf Kontrollgang. Er lacht und klärt auf: „Würde es hier dampfen oder zischen, hätten wir unsere Arbeit falsch gemacht.“ Denn Dampffahnen seien ein Zeichen für Energieverlust. Und dieser wird im Werk vermieden. Darauf achten die rund 1.500 Mitarbeiter penibel.
Stromverbrauch um 60 Prozent gesenkt
Ziel ist es, den Energiebedarf und so die Kosten immer weiter zu senken. Zum Beispiel an der besagten Destillationsanlage. Antje Wadewitz, Leiterin des Energiemanagements, erklärt den raffinierten Vorgang: „Das heiße Produkt, das am Kopf der ersten Kolonne entnommen wird, liefert die Wärme, die zum Beheizen der zweiten Kolonne notwendig ist.“
Dieser Wärmeverbund spart Dampf und Strom. Dabei ist das Verfahren nur ein Beispiel von vielen, die in den letzten 15 Jahren bei dem Spezialisten für Silicone umgesetzt wurden.
„Um eine Tonne Produkt herzustellen, benötigen wir heute bei der Siliconeproduktion rund 60 Prozent weniger Strom sowie 80 Prozent weniger Prozessdampf als vor 15 Jahren“, sagt Ralf Dietze, Chef der Energieversorgung. Über 60 Prozent des Dampfbedarfs im Werk werden über Wärmerückgewinnungsmaßnahmen abgedeckt. Damit ist auch der Ausstoß von Kohlendioxid je Tonne Produkt um 80 Prozent gesunken.
Natürlich überlässt das Unternehmen die Optimierung nicht dem Zufall. Im Rahmen des sogenannten „Wacker Operating System“ (kurz: WOS) werden die Mitarbeiter an allen Standorten aufgefordert, umsetzbare Einsparmaßnahmen zu ermitteln. „Geringerer Energieeinsatz macht uns kostengünstiger. Und letztlich auch nachhaltiger, da wir so die Umwelt entlasten und Ressourcen schonen“, betont Wadewitz.
Beispielsweise kann der für die Produktion verwendete Chlorwasserstoff wieder zurückgewonnen und an anderer Stelle neu eingesetzt werden: Die Recyclingquote in diesem Kreislauf liegt bei starken 97 Prozent.
Das Wasser wird mehrfach genutzt
Mit beeindruckenden Zahlen kann auch Klaus Böttcher aufwarten: Er leitet das werkeigene Klärwerk. Seit seinem Einstand im Jahr 1999 ist die Gesamtproduktion des Standorts um das 23-Fache gestiegen. Die Abwassermenge erhöhte sich dagegen lediglich auf 3,5 Millionen Kubikmeter, das Doppelte. Der Grund: „Die Kollegen im Werk nutzen das Brauchwasser mehrfach, soweit das funktioniert“, meint der Chemiker, der vor seiner Tätigkeit im Klärwerk in der Wacker-Forschung gearbeitet hat.
Erst wenn die Abwässer im Werk überall optimal genutzt wurden, entsorgt man sie nach Vorschrift. Sie fließen in vier unterschiedlich belasteten Strömen zum Klärwerk. Das senkt dort den Aufwand für die Reinigung enorm und spart zusätzlich Kosten. Erst danach darf das saubere Nass in die Elbe strömen
Schon gewusst?

So engagiert sich die Chemie-Industrie
- „Chemie hoch 3“ ist eine 2013 gegründete Initiative vom Verband der Chemischen Industrie und den Chemie-Sozialpartnern.
- Sie verankert das Thema Nachhaltigkeit in der Branche – das heißt, den Schutz von Mensch und Umwelt, die Wirtschaftlichkeit sowie die Sicherstellung guter und fairer Arbeitsbedingungen.
- Zwölf Leitlinien geben den Weg vor. Eine lautet zum Beispiel, Unternehmen sollen die Ressourceneffizienz und den Klimaschutz beachten.
- 2017 soll das Erreichte überprüft werden.
- Der Gedanke ist lange bekannt: Schon Oberberghauptmann Carl von Carlowitz aus Sachsen riet im 17. Jahrhundert, nie mehr Bäume zu fällen als nachwachsen.