Kiel. Es ist das Ergebnis gesteigerter Produktivität: Russland hat in diesem Jahr einen Rekord beim Getreide eingefahren. 127 Millionen Tonnen dürften die Bauern laut Landwirtschaftsministerium geerntet haben. Das ist mehr, als im bisherigen Spitzenjahr 1978 geholt wurde – zur Zeit der Sowjetunion auf viel größerer Fläche. Die Landwirte realisieren damit die Erfolge optimierten Managements, effizienterer Maschinen und besseren Saatguts. Etwa 45 Millionen Tonnen wird Russland nun exportieren.

So drückt die super Ernte des Riesenreichs auf die Weizenpreise, überkompensiert schlechtere Erträge in Nordamerika und sorgt für eine gute Erntebilanz. Die Welternährungsorganisation FAO erwartet in diesem Jahr eine Rekordernte: 2,6 Milliarden Tonnen Getreide und 503 Millionen Tonnen Reis.

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass die Zahl unterernährter Menschen im vergangenen Jahr erstmals wieder stieg, von 777 auf 815 Millionen. FAO-Generalsekretär José Graziano da Silva: „Damit ging im Schnitt einer von neun Menschen hungrig ins Bett.“ Besonders drastisch sei die Entwicklung in Ländern mit bewaffneten Konflikten, wo über die Hälfte der Notleidenden lebe, und dort, wo Dürre und Überschwemmungen auftraten. Schon in diesem Jahr erwartet da Silva jedoch, dass die Zahl der Hungernden wieder sinkt.

Die globale Getreide-Erzeugung legt meist etwas stärker zu als die Nachfrage der wachsenden Weltbevölkerung.

Ohnehin: Im Jahr 2003 gab es rund um den Globus noch 950 Millionen Hungernde und Unterernährte. Auf längere Sicht hat sich die Ernährungslage der Welt also durchaus verbessert. Zum einen, weil die Getreide-Erzeugung oft stärker zulegt als die Nachfrage der wachsenden Weltbevölkerung. Zum anderen, weil „der Kampf gegen extreme Armut enorme Fortschritte macht“, berichtet Professor Rainer Thiele, Experte für Entwicklung am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Von 1990 bis 2015 schrumpfte der Anteil der Ärmsten laut Weltbank global von 42 auf 15,5 Prozent, in China sogar von 60 auf 6 Prozent.

Das Beispiel China zeigt: „Die Armen profitieren von einer wachsenden Wirtschaft und deren Teilhabe am Welthandel“, erklärt Thiele. Das gelte auch für afrikanische Länder. Voraussetzung seien Rechtssicherheit und ein verantwortungsbewusstes Regierungshandeln.

„Dann gelingt der Kampf gegen Armut und Hunger.“ Wer mehr verdient, kann mehr Lebensmittel kaufen. Und Landwirte können in Anbautechnik und besseres Saatgut investieren.

Da geht noch mehr, wie das Beispiel Europa zeigt: Heute ernten die Bauern pro Hektar ein Drittel mehr Mais und 40 Prozent mehr Zuckerrüben als vor 20 Jahren. Vor allem Afrika hat da Nachholbedarf.