Lindlar. Vergnügt verlässt die kleine Milla mit ihrem Vater Sebastian Baltruschat den Kindergarten. Vor der Tür treffen sie Uwe Leimbach, der sich im Fitnessstudio ausgepowert hat. Gut gelaunt und entspannt verlassen die drei das Werkgelände „ihrer“ Firma, das idyllisch im Tal der Leppe liegt.

Elektriker Baltruschat und Ausbilder Leimbach arbeiten in der Edelstahlgießerei Schmidt + Clemens, dem weltweiten Marktführer bei Rohrsystemen für die Petrochemie mit 1.100 Mitarbeitern, davon 600 am Stammsitz in Lindlar. Und beide profitieren davon, dass ihr Arbeitgeber 30 Kilometer östlich von Köln großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben legt.

Dahinter steckt Strategie. „Unsere Konkurrenz bei der Suche nach guten Arbeitskräften sitzt in Köln und Leverkusen. Um Menschen aufs platte Land zu locken, müssen wir schon einiges bieten“, weiß Lars Niemczewski, Kommunikationschef des Familienunternehmens in vierter Generation. In vielen anderen Betrieben der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektro-Industrie denkt man ebenso – das gilt auch für Firmen, die (noch) kein Problem bei der Suche nach Fachkräften haben.

Wegen der Tochter etwas später anfangen – das ist hier kein Problem

Fest steht: Es wird in Zukunft schwieriger, solche Mitarbeiter zu finden. Die Gesellschaft altert, und viele der erfahrenen „Hasen“ gehen bald in Rente. Betriebe, die jungen Vätern oder Müttern helfen, die Balance zwischen Job und Familie zu schaffen, haben es bei der Mitarbeiter-Suche leichter.

Das ist in den Firmen angekommen. Ob flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder Betriebskindergarten – „die Unternehmen machen da inzwischen extrem viel“, weiß Jutta Rump, Professorin an der Hochschule Ludwigshafen und Expertin in Sachen Personalmanagement (siehe Interview). Zu beiderseitigem Nutzen: „Die Betriebe bekommen so zufriedene, motivierte und loyale Mitarbeiter.“

Das weiß man auch beim Lindlarer Rohrsystem-Produzenten. Seit Jahren gibt es hier flexible Arbeitszeiten und eine Kantine. Als die Firma vor elf Jahren die Mitarbeiter fragte, was ihr größter Wunsch sei, lag die Einrichtung eines Kindergartens ganz weit vorne. Und das in einem männerdominierten Unternehmen mit nur 10 Prozent Frauenanteil! „Als wir schließlich Ernst machten, waren die meisten dann doch ziemlich verdutzt“, erinnert sich Kommunikationschef Niemczewski.

Die Bedingungen sind ideal: Öffnungszeiten von 7 bis 17 Uhr; auch unter Dreijährige können angemeldet werden. Drei ausgebildete Erzieherinnen kümmern sich um bis zu 15 Kinder, oft geht es raus in den Wald, und ein Raum für kleine Forscher ist auch in Vorbereitung. Das Beste: Die Eltern zahlen weniger als in kommunalen Kitas.

Der Elektriker Sebastian Baltruschat zieht seiner kleinen Tochter die Schuhe an: „Es ist einfach praktisch, morgens zur Arbeit zu kommen, sein Kind abzugeben und zu wissen, dass es gut versorgt ist.“ Und nachmittags könne er sie wieder mit nach Hause nehmen: „Das ist perfekt und macht die Firma für mich als Arbeitgeber noch einmal attraktiver.“

„Die Firma weiß, dass zufriedene Mitarbeiter ihre Leistung bringen“

Ähnlich sieht das Ausbilder Uwe Leimbach, der auf der Arbeit den ganzen Tag mit jungen Leuten und Edelstahl zu tun hat und in seiner Freizeit Eisen im firmeneigenen Fitnessstudio stemmt: „Da gehe ich direkt nach der Arbeit hin. Das hilft mir, alle Sorgen und Probleme für ein Stündchen zu vergessen.“

Die hatte der alleinerziehende Vater zur Genüge. Als er seine kleine Tochter morgens zur Grundschule bringen musste, vereinbarte er mit seiner Firma, etwas später anzufangen. „Die Firma weiß, dass zufriedene Mitarbeiter ihre Leistung bringen. Da macht man auch gerne mal eine Sonderschicht oder kommt sogar freiwillig aus dem Urlaub, wenn’s brennt“, so Leimbach.

Die Einrichtung des Kindergartens vor sechs Jahren war ein Stück weit eine Zeitenwende für das Unternehmen. Hatte man – so Niemczewski – vorher in ganz Europa nach qualifizierten Zerspanern gesucht und oft keine gefunden, waren mit der Eröffnung schnell alle Stellen besetzt.

Der Kommunikationschef, der auch für die Personalentwicklung zuständig ist, erinnert sich an ein Gespräch mit einem künftigen Mitarbeiter, der nicht hinterm Berg hielt: „Meine Frau hat gesagt: ‚Die haben einen Kindergarten. Da fängst du an!‘“