Berlin. Steffen Gänger ist unzufrieden. „So richtig passt das noch nicht“, brummt er. Der Chemikant tropft noch ein paar Milliliter gelbe Farbe in den großen Bottich mit der knallroten Schuhcreme. Mit jeder Runde des Rührlöffels hellt sich sein Gesicht weiter auf. „Jetzt stimmt der Farbton.“

Gänger mischt bei Collonil in Berlin Schuhcremes, schon seit 14 Jahren. Er macht das mit der Hand, nach Augenmaß, immer perfekt. Fast 300 Sorten in etlichen Farben. Auch diesmal bestätigt das Labor: „Alles okay.“

Seit 105 Jahren stellt der Mittelständler Collonil Produkte für die Schuh-, Textil- und Lederpflege her. Erfahrung und Qualität allein reichten heute nicht mehr für den Erfolg aus, berichtet Geschäftsführer Frank Becker: „Neue, innovative Produkte sind die Wachstumstreiber.“ Eines läuft ein paar Meter weiter übers Band.

„Carbon Pro“ nennt sich der neueste Verkaufshit aus Berlin. Mit dem Imprägnierspray auf Basis der Karbon-Technologie wird ein atmungsaktiver Schutz auf Leder oder Textilien gesprüht, der wie eine sprühbare Membran wirkt. „Das ist eine technologische Revolution“, sagt Becker stolz. „Der Spray schützt besser vor Feuchtigkeit sowie Schmutz und hält viel länger als andere Imprägnierer.“ Entwickelt hat ihn ein Team um Collonil-Forschungschef Ulrich Drechsler.

Zwei Drittel der Produkte gehen an ausländische Kunden

Nicht nur im nasskalten Norden ist der Imprägnier-Spray gefragt, sondern auch unter der schweißtreibenden Sonne des Nahen Ostens. Dort gründeten die Berliner kürzlich eine Tochterfirma in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Überhaupt verkauft der Traditionsbetrieb rund zwei Drittel seiner Produkte in alle Welt. Zum Beispiel nach Japan, Russland oder Südamerika.

Auch der hiesige Markt bietet noch Chancen. Zwar gaben von früher 11.000 Schuhgeschäften im letzten Jahrzehnt zwei Drittel auf. Trotzdem wächst Collonil. Der 180-Mann-Betrieb setzte im vorigen Jahr 35 Millionen Euro um, so viel wie noch nie.

Dahinter steckt eine neuartige Vertriebsstrategie. „Wir stellen den Geschäften unser Sortiment quasi kostenlos im Verkaufsdisplay hin – und rechnen nur die tatsächlich verkauften Artikel ab“, erklärt Geschäftsführer Becker. Täglich wird das Sortiment wieder aufgefüllt; EDV macht’s möglich.

Die ansprechende Präsentation im Laden steigert den Absatz kräftig. Das erfordert aber einen raschen Nachschub. Deshalb hat Collonil für das breite Produkt-Sortiment und die Accessoires ein modernes Logistikzentrum im brandenburgischen Mühlenbeck gebaut; übrigens dort, wo die Firma ab 1909 erstmals produzierte. Bis zu 2.000 Kundenaufträge werden dort täglich abgearbeitet. Und Platz für weiteres Wachstum gibt es auf dem Gelände auch noch.

Schon Gewusst?

Foto: Sturm
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Karbon schützt vor Nässe

  • Formel-1-Boliden, Rennräder, Bremsscheiben nutzen ihn: kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff. Der Clou des leichten, zähen und beliebig formbaren Karbons sind die eingebetteten Kohlenstofffasern. Sie sind zehnmal feiner als ein Haar.
  • Collonil macht sich den Werkstoff beim Imprägnierspray „Carbon Pro“ zunutze. Beim Einsprühen von Schuhen entsteht ein ultrafeines Gitternetz aus Polymerfaser-Ketten, das lange auf der Oberfläche haftet.
  • An dieser Schutzschicht perlt Wasser ab, aber Feuchtigkeit kann problemlos aus dem Schuh hinausdringen.