Herne. „Man muss schon verstehen, was man macht“, sagt Stephan Kilimann. Der Zerspanungsmechaniker arbeitet bei der Firma Vulkan in Herne, einem Hersteller von elastischen Kupplungen für Schiffsmotoren und Generatoren. Diese Kupplungen verhindern zum Beispiel, dass die stampfenden Motoren das Schiffsdeck in Schwingung versetzen und den Urlaubern auf der Kreuzfahrt das Sektglas vom Tisch springt. Vulkan stattet unter anderem Ozeanriesen wie die „Queen Mary 2“ aus.

Normalerweise fräst und bohrt Kilimann an einem CNC-Bearbeitungszentrum die Metallteile der Kupplung, bis sie perfekt zueinanderpassen. Heute aber lernt er mit elf Kollegen in einem Weiterbildungskurs, technische Zeichnungen zu lesen. Es geht um Toleranzen, um mikrometerkleine Abweichungen, also tausendstel Millimeter.

Tim Richard, der das Seminar leitet, erklärt, warum solche Kurse so wichtig sind: „Wir fertigen Kleinstserien von höchstens fünf Stück. Der Automatisierungsgrad ist gering, und die Mitarbeiter tragen viel Verantwortung“, so der Leiter der Sonderkonstruktion im Unternehmen.

Deshalb absolvieren die rund 500 Mitarbeiter am Stammsitz Herne zusammen 4.000 Qualifizierungsstunden pro Jahr – in der Arbeitszeit. Wer nach Feierabend für die Meisterschule oder etwa ein technisches Studium büffelt, dem erstattet die Firma die Kosten.

Das Unternehmen steht beispielhaft für das hohe Engagement der Wirtschaft in Sachen Fortbildung. 2014 haben laut aktueller Studie des IAB-Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit 54 Prozent der Arbeitgeber die Kosten für Weiterbildungen teils oder ganz übernommen – oder Mitarbeiter freigestellt. Ausschlaggebend sind technische oder organisatorische Änderungen im Betrieb. Wie auch der Umstand, dass kleinere Firmen „fertige“ Fachkräfte immer schwerer auf dem Arbeitsmarkt finden.

„In unserer Nische ist das auch nicht einfach“, bestätigt Canan Yerebakmaz, Ausbildungsleiterin bei Vulkan. Deshalb leistet sich das Familienunternehmen mit 1.300 Mitarbeitern weltweit und einem Jahresumsatz von 160 Millionen Euro sogar eine eigene Akademie. So eine Einrichtung haben meist nur größere Kaliber wie Bayer oder die Telekom, Festo oder Weidmüller.

In der Villa direkt am Werk wohnte einst der Großvater des heutigen Firmenchefs, nun lernen dort Vulkan-Mitarbeiter vom Stammsitz und aus den Auslandsniederlassungen, wie sie Messtechnik anwenden, neue Software handhaben oder bei der Montage beim Kunden auf die Sicherheit achten.

Mit dabei ist auch Christian Eiler, den der Chef zum Kurs „Technische Zeichnungen“ geschickt hat. Und am Nachmittag danach kann der gelernte Maler schon die mikrometerfeinen Arbeiten am neuen Bearbeitungszentrum einüben.

Geschult wird er von seinem jungen Kollegen Kilimann, mit dem er gerade erst in der Akademie saß. „Das ist das erste Mal, dass ich an einer CNC-Maschine arbeite“, sagt der große Mann. Sein Ehrgeiz: „Ich will das alles einwandfrei können.“