Rostock. Mit scharfem Strahl knallt das Wasser auf den frischen Mörtel und spritzt ein paar Brocken ab. Andreas Thürnau dreht den Hahn zu, greift zur Kelle und ritzt Rillen in die stehen gebliebenen Mörtelwulste. Unter den flinken Händen des Künstlers nimmt der Beton rasch Form an. Schon bald sieht er wie ein verwitterter Felsen aus.
Thürnau steht der Schweiß auf der Stirn. In der riesigen Halle ist es heiß. Extreme Temperaturen herrschen dort nicht nur an diesem Juli-Tag. Denn hier entsteht das neue Tropenhaus des Zoos in Rostock.
Auf den künstlichen Felsen und Bäumen, die der selbstständige Natur-Imitator formt, werden in wenigen Wochen Gorillas, Orang-Utans, Gibbons und Faultiere herumklettern, tollen. Und pinkeln – was einen besonders robusten Baustoff erfordert.
Das Material, das all das aushält und natürlich aussieht, kommt aus Bottrop. Vom Unternehmen MC Bauchemie. Entwickelt hat es Andreas Zahn, Material-Wissenschaftler und Spezialist für Sonderbaustoffe bei der Firma.
„Kunststoffe sind da keine drin“
Der Spezialmörtel (Markenname „Oxal“) hat eine Menge drauf. „Er lässt sich maschinell pumpen und spritzen, er klebt über Kopf und härtet schwundfrei“, zählt Zahn auf. Vor allem aber: „Nach dem Aufspritzen auf das tragende Drahtgerüst kann man ihn noch stundenlang bearbeiten, bevor er endgültig abbindet“, erklärt Betonkünstler Thürnau. „Das ist das Besondere daran.“
Denn um täuschend echt aussehende Felsen, Bäume, Wurzeln, Bruchsteine und Tiere zu gestalten, brauchen Spezialisten wie Thürnau viel Zeit. Mit etwas Farbe geben sie ihren Werken schließlich den letzten Schliff; Baumrinde aus Beton sieht dann wie bemoost aus. Weil das Material Wasser und Frost aushält, findet es auch in Aquarien und Freizeitparks Einsatz.
Möglich macht das eine Mixtur aus Zement, Kalk und Sand, der pro Tonne ein paar Gramm Quellmittel und Microsilica beigemischt sind. „Damit der Mörtel sich so lange verarbeiten lässt“, erklärt Zahn. „Aber Kunststoffe sind da keine drin. Die Leute wollen im Zoo keine Plastik-Felsen.“
Ausgetüftelt hat der Baustoff-Experte die Rezeptur vor etwa zehn Jahren in wenigen Tagen. Seitdem habe er sie stetig verbessert, berichtet Zahn. „Heute gilt der Spezialmörtel bei Felsenkünstlern als europaweit der Beste“, schildert Thürnau. Häufig schreiben Tierparks ihn für neue Projekte sogar vor. So steckt er im urzeitlichen Gondwana-Land des Leipziger Zoos, der Kanada-Landschaft im Zoo Hannover und der Eismeer-Anlage im Tierpark Hagenbeck in Hamburg.
Einige Tausend Tonnen pro Jahr
Und nun auch im neuen, 4.000 Quadratmeter großen Tropenhaus in Rostock. Es ist Teil des mehr als 28 Millionen Euro teuren Darwineums, das dort zurzeit gebaut wird. Darin können Besucher demnächst auf eine spannende Entdeckungstour zur Entstehung der Tierarten gehen. Der Zoo will so bis zu 200.000 Gäste mehr im Jahr anlocken.
Für den Hersteller MC-Bauchemie (1.500 Mitarbeiter) ist der Mörtel übrigens nur ein kleines Geschäft. Mit einigen Tausend Tonnen davon setzt er fast 1 Million Euro um. „Aber es ist ein schönes Geschäft“, findet Zahn. „So bleibt man im Gespräch.“