Wiesbaden. Am 29. Mai startet in Monte Carlo das Formel-1-Rennen, der große Preis von Monaco: Es ist der heißeste Grand Prix der Saison. Halsbrecherische Verfolgungsjagden durch Tunnel und über Kanaldeckel hinweg. Mit 200 bis 300 Kilometern pro Stunde durch die engen Gassen im Stadtparcours –das fordert Piloten wie Material.
Das rasante Tempo ermöglichen sichere Hightech-Produkte wie kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK): „Hohe Steifigkeit bei gleichzeitig sehr geringem Gewicht – das sind die herausragenden Eigenschaften“, sagt Andreas Wüllner, der das Verbundwerkstoffgeschäft beim Kohlenstoff-Spezialisten SGL in Wiesbaden leitet. Zu dünnen Fäden gesponnen lässt sich Kohlenstoff zu Matten verweben und mit einer Trägersubstanz, etwa Harz, fixieren und in Form pressen.
Rennfahrer Fernando Alonso verdankt der Entwicklung sein Leben: Beim jüngsten Saisonauftakt in Australien krabbelte er nach einem Horrorcrash mit Esteban Gutierrez unverletzt aus dem zertrümmerten McLaren. Ihn schützte eine Überlebenszelle, die aus gut 1.500 dieser Kohlenfasermatten besteht.
Im Test wird das sogenannte Monocoque kurzfristig von vorne mit 20 Tonnen und seitlich mit bis zu 25 Tonnen belastet – und darf dabei nicht nachgeben. Solche Material-Eigenschaften sind nicht nur bei Autorennen gefragt. Sondern auch in der Luft- und Raumfahrt, im Fahrzeugbau, bei der Windenergie und natürlich bei Sport und Freizeit. Letztes Jahr lag der weltweite Bedarf an CFK bereits bei 91.000 Tonnen, schätzt das Kompetenznetzwerk Carbon Composites, Tendenz steigend.
Wissenschaftler wollen jetzt Verbundwerkstoffe in der Massenfertigung ermöglichen
Karbon steckt bereits in Kanus, Fahrradrahmen, Golf- und Tennisschlägern, Pfeil und Bogen oder Angelruten. Noch ist das eine teure Sache, doch das könnte sich bald ändern.
So zeigt etwa der Spezialchemie-Hersteller Evonik in seiner Pilotanlage in Marl, dass ein neues Materialkonzept (hybride Polymersysteme) Zeit und Kosten bei der Fertigung spart: „Wir wollen dazu beitragen, dass Verbundwerkstoffe den Weg in die Massenfertigung finden“, sagt Chef-Innovator Ulrich Küsthardt. Schon 2018 könnte es so weit sein.
Starkes Material benötigt übrigens auch der Helm: Auf den Schutz verlassen sich neben Rennpiloten auch Ski- und Radfahrer, Kletterer, Reiter, Kanuten oder Eishockeyspieler. Hier liefert der Kunststoff-Spezialist Covestro aus Leverkusen einen Werkstoff (Makrolon), der zäh, transparent und unzerbrechlich ist. Ausrüster Uvex in Fürth sorgt für den guten Sitz am Kopf.
Die Partner haben zudem eine der leichtesten Schutzbrillen der Welt entwickelt: Das technische Wunderwerk bringt gerade mal 18 Gramm auf die Waage. Das spezialbeschichtete Modell aus Polycarbonat ist so stabil, dass es den Beschuss mit 162 Stundenkilometer schnellen Stahlkugeln aushält. Bei Vollsichtbrillen geht sogar noch mehr. Marketingleiter Thorsten Udet von Uvex: „Wir haben Modelle, die bis zu 120 Meter pro Sekunde aushalten – das sind 432 Stundenkilometer.“