Wenn US-Präsident Donald Trump postet, schreckt die Welt auf. Mal meldet er Ansprüche auf den Panamakanal an, mal auf Grönland, mal auf Kanada – und gerne verhängt er Zölle, immer wieder Zölle!

Trumps völlig unberechenbare Zollpolitik lässt auch die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie bangen. Was kommt da noch? Welche Regeln gelten überhaupt? Unsicherheit pur!

Im April drohte der einst so verlässliche Handelspartner USA mit Zusatzzöllen von 20 Prozent auf EU-Ursprungswaren, die zusätzlich zu den schon vorhandenen Regelzollsätzen erhoben werden sollen. Wenig später kassierte die US-Regierung diese Entscheidung wieder – zugunsten eines dreimonatigen Aufschubs. In dieser Zeit soll jetzt über neue Regeln verhandelt werden. Der zuvor schon gültige Zoll von 10 Prozent wird allerdings weiterhin erhoben.

„Ich kann mich an ein solches Ereignis, an ein solches Chaos nicht erinnern“, sagt Friedrich-Hans Grandin. Im Ehrenamt ist er Präsident des Verbands der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (nordwest textil+mode), im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Geotextilien-Herstellers Huesker Synthetic in Gescher. Grandin weiter: „Egal, ob in den USA oder hier, egal, in welcher Branche – alle sind in den letzten Wochen zunächst in eine Art wirtschaftliche Schockstarre verfallen und warten nun ab, wie es weitergeht.“

„Egal, ob in den USA oder hier, egal, in welcher Branche – alle sind in den letzten Wochen zunächst in eine Art wirtschaftliche Schockstarre verfallen und warten nun ab, wie es weitergeht.“ 

Dr. Friedrich-Hans Grandin, Präsident nordwest textil+mode

Niemand kann einschätzen, wie die jetzt geltenden Regeln ausgelegt werden

„Es ist die massive Unsicherheit, die unseren Unternehmen große Probleme bereitet“, ergänzt Till Kramer, Zollrechtsexperte beim Verband. Bei ihm melden sich immer häufiger Betriebe, die angesichts der verwirrenden Zollproblematik Rat suchen. Sie könnten nicht abschätzen, was jetzt eigentlich auf sie zukommt oder wie die bestehenden Regeln ausgelegt werden.

Das gilt besonders auch für Unternehmen, die etwa technische Textilien fertigen, darunter auch Geotextilien-Hersteller Huesker. Viele von ihnen gelten in ihrer Nische als Weltmarktführer und exportieren auch in die USA. Bei der Beschaffung von Vorprodukten wie Synthetikfasern sind sie auf chinesische Anbieter angewiesen. Kramer: „Je nach Verarbeitungsgrad des Ursprungsprodukts könnten für heimische Textilunternehmen unterschiedlich hohe Einfuhrzölle in den USA anfallen.“ Je „chinesischer“ also ein Endprodukt nach der Verarbeitung noch sein würde, desto höher könnten die US-Zölle ausfallen. So trifft der Handelskrieg zwischen den USA und China mit seinen zeitweise absurd hohen Zollsätzen auch hiesige Unternehmen.

Die USA sind der zweitwichtigste Markt für die Branche

Mit ihrem Vorgehen stellt die US-Regierung die bislang einigermaßen verlässlichen Regeln des Welthandels komplett infrage – so bringt Grandin das Problem auf den Punkt. Und das hat womöglich schlimme Folgen für die heimische Textil- und Bekleidungsbranche, wie eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Deloitte zeigt.

Die Experten haben sich die Auswirkungen der derzeit noch ausgesetzten und laut Trump „reziproken“ Zölle angeschaut. Ergebnis: Kommen die Einfuhrabgaben auf Dauer, würden sie zu einem Umsatzeinbruch von 16 Prozent bei den deutschen Textil- und Bekleidungsexporten in die USA führen. Die EU ist zwar der wichtigste Absatzmarkt für die Branche, aber in die USA exportierten die Unternehmen zuletzt Waren im Wert von knapp 1 Milliarde Euro pro Jahr. Die USA sind damit der zweitwichtigste Absatzmarkt.

Ob die unklaren Aussichten dazu führen, dass Unternehmen Produktionsstandorte in den USA ausbauen oder sogar neu aufbauen, wie Trump das hofft? Fraglich, meint Grandin. „Selbst wenn wir das wollten. Schon die Maschinen haben ja Lieferfristen von mindestens sechs Monaten. Muss erst noch eine Halle gebaut werden, dauert es noch länger“, weiß der Huesker-Chef.

Sein Unternehmen fertigt in den USA für den US-Markt. „Wir exportieren dafür Rohstoffe aus China, weil es die in den USA nicht gibt.“ Auf die Rohstoffe entfallen derzeit aber hohe Zölle. Huesker setzt schon länger auf made in USA – wird das Unternehmen zukünftig dafür indirekt bestraft?

Es bleibt nur eine Hoffnung: die EU. Sie kann mit den USA über neue Zollregeln verhandeln. Zeit dafür bleibt noch bis Mitte Juli. Dann soll Trumps Zoll-Pause enden. Was dann kommt? Ungewiss.

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Zölle sind das wichtigste Instrument im aktuellen US-Handelskrieg. Wie Zölle genau funktionieren, wer sie zahlt und wie die EU reagiert – das lesen Sie hier.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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