Bocholt. Frauen, die an einer Fräs- oder Drehmaschine arbeiten, Mädchen, die eine Naht schweißen – in vielen Unternehmen sucht man nach ihnen vergeblich.
Anders beim Federnhersteller Pieron im Münsterland: Hier ist die Hälfte der 24 Auszubildenden weiblich! In der Produktion arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen, unter ihnen die Ausbildungsleiterin.
Alles Zufall? „Nein“, sagt Sven Pieron, Geschäftsführer des Familienunternehmens mit 250 Stammkräften. „Seit wir in technischen Berufen ausbilden, waren immer Frauen dabei – schon seit gut 15 Jahren. Das ist für uns ganz normal.“
Der Nachwuchs sieht das ähnlich. Katharina Bußkamp zum Beispiel. Die 18-Jährige lässt sich zur Werkzeugmechanikerin ausbilden, sie ist im ersten Lehrjahr. Der Technikunterricht in der Schule hat sie auf die Idee gebracht, Metall und Elektro zu ihrem Beruf zu machen. „Vorher dachte ich immer, ich mache irgendetwas Soziales.“
Bundesweit ist noch viel Luft nach oben
Kollegin Jana Bauhaus (16) wiederum wollte immer was Technisches machen: „Ich finde es einfach schön, dass man am Ende ein richtiges Ergebnis in der Hand hält“, sagt sie. Azubi Tom Boland (17) hat kein Problem damit, unter vielen Mädchen und mit einer weiblichen Vorgesetzten zu arbeiten: „Was ist daran so außergewöhnlich?“
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Tatsächlich ist Pieron noch ein ganz besonderes Unternehmen: Der Frauenanteil in der Produktion ist viel höher als im bundesweiten Schnitt.
Zwar ist der Anteil der Mädchen an den Auszubildenden in den Metallberufen – also zum Beispiel Industriemechaniker, Anlagenmechaniker oder Kraftfahrzeugmechatroniker – von 5,5 Prozent im Jahr 2005 auf zuletzt 8,6 Prozent gestiegen. Auch in den Elektroberufen – wie etwa Elektroniker für Betriebstechnik oder Automatisierungstechnik – stieg die Quote von 4,1 auf 7,1 Prozent.
„Wir sind damit auf einem guten Weg“, sagt Sven-Uwe Räß, Abteilungsleiter Berufsbildung beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall in Berlin, „aber natürlich gibt es noch reichlich Luft nach oben. Um auch in Zukunft ausreichend Fachkräftenachwuchs in den Unternehmen zu haben, müssen wir noch viel mehr junge Frauen für eine Ausbildung in technischen Berufen begeistern.“
Wie viel da noch zu tun ist, weiß Pieron-Ausbildungsleiterin Jennifer Steffens (33) nicht nur aus der Statistik. Die vierfache Mutter nimmt in anderen Unternehmen Meisterprüfungen ab. „Da sehe ich häufig nur Männer“, sagt sie, „das verstehe ich gar nicht – Frauen sind in technischen Berufen doch genauso gut wie ihre männlichen Kollegen.“
Steffens hat selbst bei Pieron gelernt, heute bringt sie jungen Leuten das Fräsen, Drehen und Bohren bei. „Wenn die Frauen erst mal hier sind, dann finden sie es super“, so ihre Erfahrung, „die größte Hürde ist es, sie überhaupt mal in den Betrieb zu locken.“
Und dafür tut ihr Arbeitgeber viel: Tag der offenen Tür am Girls’ Day, Schnupperpraktika, enge Zusammenarbeit mit Schulen. „Unsere Fachkräfte gehen in die Klassen und erzählen von ihrer Arbeit“, sagt Geschäftsführer Pieron. Das Unternehmen engagiert sich für Projekte der Nachwuchsförderung wie „Mädchen machen MI(N)T!“ und „Haus der kleinen Forscher“. Das wirkt: Mittlerweile bewerben sich hier genauso viele Mädchen wie Jungen!
Wer einen Ausbildungsplatz bekommt und seine Lehre gut macht, bleibt in der Regel gerne im Betrieb – nicht nur wegen der guten Bezahlung. Denn die jungen Fachkräfte wissen, dass sich hier Familie und Beruf nicht ausschließen. „Wir versuchen, für jeden Mitarbeiter individuelle Arbeitszeitmodelle zu finden“, betont Pieron. Für jedes Neugeborene eines Mitarbeiters spendiert das Unternehmen 1.000 Euro.
Familienförderung hat Tradition
Diese Geschäftspolitik hat eine lange Tradition. Inhaberin Gisela Pieron, die Mutter des heutigen Geschäftsführers, hatte sich nach dem frühen Tod ihres Mannes von jetzt auf gleich als Frau in einer Männerwelt zurechtfinden müssen. Seitdem setzt sie sich für Mädchen in technischen Berufen ein.