Schön, wenn das Unternehmen Vertrauen in seine Mitarbeiter hat, und sie frei über ihre Arbeitszeit entscheiden lässt. Das wird meist dann angeboten, wenn es nicht darauf ankommt, dass die Arbeit zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erledigt wird – etwa in vielen Büroberufen, in der Entwicklungsabteilung oder in kreativen Jobs.

So können Beschäftigte im Rahmen von Vertrauensarbeitszeit arbeiten, wann sie wollen und dadurch Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren als bei starren Arbeitszeiten.

Die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein, beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Was genau ist eigentlich Vertrauensarbeitszeit?

Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass das Unternehmen keinerlei Vorgaben zur Lage der Arbeitszeiten macht. Der Beschäftigte kann also Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Pausen nach Lust und Laune selbst festlegen und beispielsweise auch mitten in der Nacht arbeiten.

„Vertrauensarbeitszeit bedeutet aber nicht, dass der Arbeitnehmer beliebig viele Stunden arbeiten kann“, warnt Oberthür. Viele denken nämlich, dass es bei Vertrauensarbeitszeit nicht auf die Anzahl der Stunden ankommt, solange das Ergebnis stimmt. Ein Irrtum: Sind im Arbeitsvertrag beispielsweise 40 Stunden vereinbart, muss man auch 40 Stunden pro Woche arbeiten.

Habe ich Anspruch auf Vertrauensarbeitszeit?

„Die Festlegung der Arbeitszeit gehört zum Direktionsrecht des Arbeitgebers“, sagt Oberthür. Ausschließlich der Arbeitgeber bestimmt die Lage der Arbeitszeit. Vertrauensarbeitszeit bedeutet letztlich nur, dass der Arbeitgeber dieses Recht nicht ausübt und dem Mitarbeiter die Entscheidung überlässt. Einen Anspruch auf Vertrauensarbeitszeit hat man folglich nicht.

Muss ich bei Vertrauensarbeitszeit Überstunden machen, wenn ich mein Pensum nicht schaffe?

Bei Überstunden gelten dieselben Regelungen wie üblich. „Auch bei Vertrauensarbeitszeit kann der Beschäftigte Feierabend machen, wenn er die vereinbarte Stundenzahl gearbeitet hat“, sagt Oberthür.

Man muss also nicht so lange arbeiten, bis man ein bestimmtes Tagespensum abgearbeitet hat, beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Vorgängen erledigt hat. Selbstverständlich muss man aber – wie sonst auch – ordentlich arbeiten und sich nach Kräften bemühen, eine gute Leistung zu erbringen.

Manche Beschäftigte möchten nicht an jedem Tag gleich viele Stunden arbeiten, sondern beispielsweise an einem Tag nur sieben, dafür am nächsten Tag zum Ausgleich neun Stunden. Ob man das darf oder ob man an jedem Arbeitstag eine feste Stundenzahl erreichen muss, hängt davon ab, was im Arbeitsvertrag steht. Ist dort eine Wochenarbeitszeit vereinbart, kann der Beschäftigte frei entscheiden, an welchen Wochentagen (außer an Sonn- und Feiertagen) er arbeitet.

Muss man auch bei Vertrauensarbeitszeit Pausen machen?

„Auch bei Vertrauensarbeitszeit gelten die üblichen Regelungen zu Pausen und Ruhezeiten, die im Arbeitszeitgesetz vorgeschrieben sind“, sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht. Das bedeutet, dass man spätestens nach sechs Stunden Arbeit eine Pause von mindestens 30 Minuten machen muss. Außerdem müssen zwischen dem Arbeitsende an einem Tag und dem Arbeitsbeginn am nächsten Tag mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen.

Genau das ist bei Vertrauensarbeitszeit aber häufig ein Problem, weil manche Mitarbeiter wegen der Familie häufig spätabends arbeiten und dann gleich wieder am nächsten Morgen in der Frühe. Arbeitet man also beispielsweise abends von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr und sitzt am nächsten Morgen schon um 8:00 Uhr wieder am Rechner, liegen dazwischen nur neun Stunden. Das ist zu wenig und verstößt gegen das geltende Recht.

„Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass die Vorschriften des Arbeitsrechts auch tatsächlich eingehalten werden“, erläutert Oberthür. Deshalb darf und muss der Chef die Einhaltung der Regelungen kontrollieren und die Beschäftigten nötigenfalls entsprechend anweisen. Hält sich der Mitarbeiter trotzdem nicht daran, kann das sogar zu einer Abmahnung führen.

Darf das Unternehmen bei Vertrauensarbeitszeit eine Arbeitszeiterfassung einrichten?

Obwohl man das häufig liest, hat beides nichts miteinander zu tun. „Auch bei Vertrauensarbeitszeit kann das Unternehmen verlangen, dass der Beschäftigte seine Arbeitszeit erfasst“, erklärt die Juristin. In welcher Form das geschieht, entscheidet der Arbeitgeber. Gängig sind beispielsweise entsprechende Computerprogramme.

Kann der Arbeitgeber Vertrauensarbeitszeit wieder beenden?

Das hängt davon ab, ob die Vertrauensarbeitszeit verbindlich vereinbart wurde oder nicht. „Ohne entsprechende Regelung kann der Arbeitgeber die Vertrauensarbeitszeit aufgrund seines Direktionsrechts jederzeit beenden und dem Beschäftigten wieder feste Arbeitszeiten vorgeben“, erklärt Oberthür.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer dagegen eine verbindliche Vereinbarung zur Vertrauensarbeitszeit unterschrieben, kann das Unternehmen diesen Vertrag nicht einseitig wieder lösen. In diesem Fall kann die Vertrauensarbeitszeit nur beendet werden, wenn der Mitarbeiter damit einverstanden ist, oder aber durch eine Änderungskündigung.

Gibt es Vertrauensarbeitszeit nur im Homeoffice?

Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice haben – arbeitsrechtlich betrachtet – nicht zwangsläufig miteinander zu tun. Auch im Homeoffice kann der Arbeitgeber also feste Arbeitszeiten vorgeben und umgekehrt kann es im Büro Vertrauensarbeitszeit geben.

Darf der Arbeitgeber kontrollieren, ob ich arbeite?

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber kontrollieren, ob der Beschäftigte ordnungsgemäß arbeitet, beispielsweise durch Anrufe, indem er sich Arbeitsergebnisse zeigen lässt oder indem er Zielvorgaben setzt.

„Nicht erlaubt ist aber eine Rundum-Überwachung“, erläutert die Juristin. Verboten wäre es beispielsweise, per Kamera zu überwachen, ob der Mitarbeiter tatsächlich am Computer sitzt. Auch die Installierung eines Key-Loggers ist nicht erlaubt, welcher jeden Tastendruck erfasst, um zu kontrollieren, ob der Beschäftigte nicht nur eingeloggt ist, sondern auch tatsächlich arbeitet.

„Missbraucht ein Arbeitnehmer allerdings seine Freiheiten und arbeitet nicht ordnungsgemäß, drohen ihm – je nach Schwere des Verstoßes – Abmahnung und Kündigung“, warnt Oberthür. Wer dabei erwischt wird, wie er mit den Kindern auf dem Spielplatz ist, obwohl er doch angeblich am Computer sitzt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen, denn das ist Arbeitszeitbetrug.

Wann muss ich bei Vertrauensarbeitszeit erreichbar sein?

Während man arbeitet, muss man selbstverständlich auch für Kollegen und Vorgesetzte erreichbar sein. In den Pausenzeiten dagegen muss man nicht reagieren, denn dann ist man ja nicht „im Dienst“. Viele Mitarbeiter nehmen allerdings trotzdem Anrufe entgegen oder schreiben eine schnelle Nachricht, weil sie wissen, dass die Kollegen sonst nicht weiterkommen.

„Es kann zu Problemen mit dem Arbeitszeitgesetz kommen, wenn vorgeschriebene Pausenzeiten nicht eingehalten werden“, warnt Oberthür. Deshalb ist es empfehlenswert, mit dem Vorgesetzten und den Kollegen abzustimmen, wann und wie man erreichbar ist.

Was ist bei Vertrauensarbeitszeit Arbeitszeit, was Pausenzeit?

Das ist ganz einfach: „Wenn man arbeitet, ist es Arbeitszeit. Wenn man Privates erledigt, ist das Pausenzeit“, sagt die Juristin. Vor allem im Homeoffice verschwimmen Arbeit und Privates aber oft stark, und man neigt dann dazu, „nebenher“ ein paar private Dinge zu erledigen.

Streng genommen dürfte man sich allerdings während der Arbeitszeit nicht einmal eine Tasse Kaffee aus der Küche holen. In der Praxis wird so etwas aber meist toleriert, denn das wäre ja auch im Büro üblich.

Definitiv nicht okay ist es dagegen, während der Arbeitszeit mal schnell die Waschmaschine zu beladen, die Spülmaschine auszuräumen oder zum Bäcker zu gehen. Faustregel: Alles was man im Büro nicht tun könnte, sollte man auch im Homeoffice nicht während der Arbeitszeit erledigen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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