Lohr/Coburg/Selb. 14 Prozent weniger Exporte nach China: Das Geschäft der bayerischen Metall- und Elektroindustrie mit ihrem zweitwichtigsten Handelspartner ist 2015 deutlich geschrumpft. Vor allem Betriebe aus dem Maschinenbau und der Automobil-Industrie erlebten einen Einbruch.

Dafür gibt es gleich drei Gründe: die stärker werdende Konkurrenz in Fernost, auch die Verlagerung der eigenen Produktion weg aus Bayern direkt an den chinesischen Absatzmarkt – und die schwächelnde Konjunktur im Reich der Mitte. Chinas Wirtschaft wuchs 2015 um 6,9 Prozent. Das hört sich nach viel an, wenn man es mit Ländern aus Europa oder den USA vergleicht. Für die erfolgsverwöhnten Chinesen ist es allerdings so wenig wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr!

Zu spüren bekommen das alle, die mit ihnen Geschäfte machen. Etwa die Firma Hunger Hydraulik. Das auf Groß- und Sonderzylinder spezialisierte Familienunternehmen im fränkischen Lohr am Main fertigt mit 450 Mitarbeitern in der Unternehmensgruppe diese Produkte ausschließlich in Deutschland. Die kompletten hydraulischen Anlagen allerdings gehen zu 90 Prozent ins Ausland, viele davon nach China.

Wie es weitergeht, ist ungewiss

„Wir erleben derzeit einen deutlich schwächeren Auftragseingang“, berichtet die geschäftsführende Mehrheitsgesellschafterin Ingrid Hunger, „darin sehen wir große Risiken.“ In der Vergangenheit habe man mehrere Millionenprojekte in China abgewickelt. Jetzt würden dort aber aufgrund der schwächelnden Konjunktur und der Entwicklung der eigenen Wirtschaft weniger hydraulische Anlagen gebraucht.

Im Wettbewerb mit der technisch aufholenden Konkurrenz aus China machen Hunger die hohen Arbeitskosten in Deutschland zu schaffen. „Da kommen wir an unsere Grenzen“, sagt sie. „Maßvolle Lohnabschlüsse sind deshalb für uns besonders wichtig.“

Aktuell wirken zwar noch zwei chinesische Großaufträge aus dem Vorjahr nach. Dabei geht es um Komponenten für eine Alu-Gießerei und Zylinder für Spezialgeräte zum Bau von Landungsstegen in Häfen. Das eigene Umsatzziel für China werde man 2016 wohl noch knapp erreichen, schätzt Hunger. Doch ob es im kommenden Jahr noch gut um das China-Geschäft steht, kann die Firmenchefin nicht sagen.

Das können momentan wohl die wenigsten deutschen Maschinenbauer. „Im Gegensatz zu vielen anderen läuft’s bei uns derzeit zum Glück stabil“, berichtet Hubert Becker, der Geschäftsführer des Coburger Werkzeugmaschinen-Herstellers Waldrich Coburg (800 Mitarbeiter). „Doch wir haben eine Sonderrolle.“ So hat Waldrich seit 2005 eine chinesische Mutter – und seitdem bessere Informationen über den Markt. Zudem kommt die Kundschaft dort vor allem aus dem Energiesektor und dem Schiffbau; die Werkzeugmaschinen fräsen etwa Gehäuse von Turbinen und Motoren sowie Schiffspropeller. Konjunktur hin oder her: Solche Projekte sind langfristig geplant, das ist der Vorteil. „Die werden kontinuierlich abgearbeitet“, so Becker.

Von solch stabilen Zuständen kann der Maschinenbauer Netzsch in Selb nur träumen. Das Unternehmen hat drei Tochterfirmen in China, davon zwei mit eigener Produktion, mit insgesamt 500 Mitarbeitern. „Wir waren von den über viele Jahre hohen Wachstumsraten im Reich der Mitte verwöhnt, aktuell müssen wir mit einer deutlich schwächeren Marktsituation fertig werden“, sagt Dietmar Bolkart, der Geschäftsführer der Netzsch-Gruppe.

„Trotzdem glauben wir weiter an China“, betont er. Selbst in der heutigen Lage gebe es Lichtblicke. Zwar läuft alles, was mit Öl- und Gasförderung zu tun hat, im Vergleich zu den Vorjahren schlecht, etwa im Pumpengeschäft. Der Bereich Elektromobilität dagegen boomt. Netzsch liefert Hochtechnologie zur Fertigung von Batterien, wächst hier zweistellig.

Die Kehrseite der Medaille: Netzsch muss vor Ort investieren, das ist die Bedingung der Chinesen. Und deshalb nimmt man Geld in die Hand: Gerade wurden 10 Millionen Euro in eine Erweiterung für den Bereich „Mahlen und Dispergieren“ bei Schanghai gesteckt.

Diese Investitionen fallen jedoch in der aktuellen Lage in China nicht leicht, erklärt Bolkart. „Rechnen wir alle Bereiche von Netzsch zusammen, bewegen sich unsere Umsätze nur knapp über Vorjahresniveau.“

Auch die Automobil-Industrie aus Bayern, allen voran die Hersteller BMW und Audi, investiert seit Jahren kräftig in China und erweitert ihre Produktionskapazitäten. Schließlich werden auch immer mehr Autos im Land verkauft. Der Absatz beider Hersteller zusammen stieg von 2010 bis 2015 um 160 Prozent auf gut eine Million Fahrzeuge.

Ausbau der Produktion führt zu weniger Exporten

2015 allerdings setzte sich dieser Trend erstmals nicht fort: Die Zahl der verkauften Autos verharrte auf Vorjahresniveau. Das blieb offensichtlich nicht ohne Folgen für den Export von Autos und Fahrzeugteilen aus Bayern, der um 27 Prozent einbrach. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens EY (früher Ernst & Young) liegt das auch daran, dass immer mehr vor Ort gefertigt wird. „Der massive Ausbau von Produktionskapazitäten in China“ führe „tendenziell zu weniger Exporten von deutschen Fabriken ins Reich der Mitte“.

Ob Verlagerung, neue Mitbewerber oder Nachfrageschwäche vor Ort: Insgesamt sorgt das China-Geschäft in Bayerns Metall- und Elektroindustrie für zunehmende Unsicherheit. Die Erfolge der Vergangenheit müssen für die Zukunft erst noch erwirtschaftet werden.

Interview

„Konkurrenz für unseren Maschinenbau“

Wie stark ist unsere Wirtschaft von der Krise in China betroffen? Antworten von Klaus Deutsch, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik im Bundesverband der Deutschen Industrie in Berlin.

Warum ist China so wichtig für unsere Wirtschaft?

Die Ausfuhren zeigen, wie rasant sich China zum wichtigsten Handelspartner Deutschlands entwickelt hat. Die deutschen Exporte in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sind zwischen 2001 und 2014 auf mehr als das Sechsfache gestiegen.

Von dem Wachstum in China hört man aber derzeit nichts Gutes …

Das ist richtig. Es schwächt sich deutlich ab. Trotz der derzeitigen Krise dürfte die chinesische Wirtschaft aber immer noch stärker wachsen als die etablierten Industrieländer. China bleibt ein Markt mit hoher Nachfrage. Aufgrund seiner Größe besitzt das Land nach wie vor enormes Absatzpotenzial.

Was sind denn die Herausforderungen?

In China findet derzeit ein tief greifender Wandel statt: von der Fertigung einfacher hin zu höherwertigen Gütern. Dadurch bekommt der deutsche Maschinenbau mehr Konkurrenz. Die deutsche Wirtschaft ist heute viel abhängiger von China als noch vor 20 Jahren. Die dortige Konjunkturschwäche wirkt sich unmittelbar auf die Absatzchancen aus.

Wen trifft es noch?

Die Automobil-Industrie und ihre Zulieferer. Beide sind in China überdurchschnittlich stark engagiert. Das erhöht das Risiko. Der chinesische Kfz-Markt ist mittlerweile der größte der Welt.

Was macht den Betrieben besonders Sorgen?

Es herrscht große Unsicherheit, wie es mit den Reformen in China weitergeht. Deutsche Betriebe, die dort produzieren, haben auch vor Ort Probleme, gute Fachkräfte zu finden.