Reutlingen. In vielen Autositzen stecken Drähte als Rahmen für die Sitzbezüge. Die werden auf Maschinen von Wafios in die richtige Form gebogen. Doch das ist technisch gar nicht so einfach, wie es klingt. Denn lange Drähte schwingen, was den Arbeitstakt der Maschine bremst und die Qualität beeinträchtigen kann. Der Spezialmaschinenhersteller aus Reutlingen hat das Problem nun gelöst.
Entwicklung dauerte sechseinhalb Jahre
Um das Prinzip zu demonstrieren, braucht Vorstandssprecher Uwe-Peter Weigmann nur eine Computermaus. Die hält er am Kabel und bewegt den Arm zur Seite, was die Maus in Schwingung versetzt. Genauso geht es auch den längeren Drähten auf Wafios-Maschinen. Wenn Weigmann das Mauskabel dagegen ruckartig zur Seite bewegt, sind die Pendelbewegungen deutlich kleiner.
Diesen physikalischen Effekt praktisch umzusetzen, ist jedoch knifflig. Sechseinhalb Jahre haben die Entwickler von Wafios gemeinsam mit Studenten der Hochschule Reutlingen daran getüftelt. Die arbeiten inzwischen selbst als Entwicklungsingenieure im Unternehmen. Nun ist das neue Produkt mit dem Namen „iQ smartbend“ serienreif und mit dem Industriepreis eines Fachverlags als besonders innovativ ausgezeichnet.
An seinen Maschinen selbst hat das 1893 gegründete Traditionsunternehmen dabei fast nichts ändern müssen. Mit umfangreichen mathematischen Modellen lassen sich die Bewegungen der Werkzeuge, mit denen der Draht gebogen wird, so optimieren, dass sich die Schwingungen des Drahts minimieren.
Im Vergleich zur besten manuellen Einstellung kann so die Software den Ausstoß in Abhängigkeit von der Teilegeometrie verdoppeln oder verdreifachen, so Ralf Schneider, der das Kundenzentrum leitet. Die Berechnungen sind so aufwendig, dass man sie nicht vor Ort, sondern in einem neu aufgebauten Rechenzentrum am Wafios-Stammsitz ausführt.
Die Kunden profitieren davon so: Sie schicken ihre Daten zu Maschine und Werkstück online nach Reutlingen – und bekommen die optimierten Daten wieder auf die eigene Maschine aufgespielt. Dieser Service wird nicht mehr mit den Maschinen verkauft, sondern auf Zeit vermietet. „Für einen Maschinenbauer ist das ein völlig neues Geschäftsmodell“, erklärt Weigmann.
Die Firmengruppe mit weltweit 1.000 Mitarbeitern (zwei Drittel in Reutlingen) setzt aber nicht nur bei der Software auf Innovation. Sechs bis acht neue Maschinen bringt Wafios laut Weigmann pro Jahr auf den Markt.
Inzwischen kann das Familienunternehmen rund 120 Varianten liefern: Von der Spiralfeder bis zum Auspuffrohr lassen sich so diverse Metallprodukte in die richtige Form bringen.