Wien/München/Köln. In unserem wichtigsten Industriezweig läuft es nicht schlecht: Die Kapazitätsauslastung der Metall- und Elektroindustrie (M+E) liegt über dem langjährigen Schnitt, die Produktion legt zu, die Geschäftslage hat sich verbessert. Da müssten die Profite ja kräftig sprudeln, oder?

Bei diesem Thema hilft es, zunächst einmal über die Landesgrenzen zu gucken. „Beim Gewinn“, betonte kürzlich die Wiener Filiale der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY), „ist Apple weiterhin das Maß aller Dinge.“ Im vergangenen Jahr blieben bei dem iPhone-Hersteller von 216 Milliarden Dollar Umsatz 46 Milliarden Dollar Gewinn nach Steuern hängen – eine Umsatzrendite von über 20 Prozent!

Generell wirtschaften die Amis laut EY-Studie „wesentlich profitabler“: Im Schnitt „bleiben bei US-Konzernen 30 Prozent mehr Gewinn hängen als bei ihren europäischen Wettbewerbern“.

Unternehmen in Frankreich und England rentabler

Und wer landet im EY-Vergleich von 300 europäischen Top-Unternehmen ganz hinten? Die Deutschen. Sie schafften 2016 im Durchschnitt ein operatives Ergebnis vor Steuern und Zinsen („Ebit-Marge“) von 7,0 Prozent. Die französischen Top-Konzerne holten 9,6, die britischen 10,4 Prozent.

Und wie sieht es bei der Umsatzrendite nach Steuern aus, und speziell in Bayern? Die hiesigen M+E-Unternehmen, vom Autobauer bis zum Kleinbetrieb, erwarten bei dieser wichtigen Kennzahl für das laufende Jahr im Durchschnitt gut 4 Prozent. Von jeweils 100 Euro Umsatz bleiben also 4 Euro Reingewinn in der Kasse – wie schon in den beiden Vorjahren.

Erfreut stellt die Gewerkschaft IG Metall fest: „Die Renditen liegen auf dem höchsten Stand seit 2008.“ Das ist zwar korrekt. Aber dazu sollte man dreierlei wissen.

Erstens: Mit dem, was in der Kasse bleibt, werden nicht etwa nur die Inhaber oder Aktionäre beglückt. Sondern auch Investitionen finanziert! „Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen“, brachte das seinerzeit Bundeskanzler Helmut Schmidt auf den Punkt. Gerade jetzt sind besonders kräftige Investitionen nötig – Stichworte: Industrie 4.0 und Digitalisierung, E-Antrieb und selbstfahrendes Auto.

Zweitens: Die 4 Prozent sind eben nur der Durchschnitt, die Renditen sind von Firma zu Firma sehr unterschiedlich. Manche machen Miese, andere kommen gerade so über die Runden. Aktuell liegen „15,5 Prozent in einem kritischen Renditebereich von unter 2 Prozent“, warnt der Arbeitgeberverband vbm.

Und drittens: Jedes zweite M+E-Unternehmen in Bayern hat mindestens einen Standort jenseits der Grenzen. Das rentiert sich: „Die Produktion im Ausland ist profitabler als im Inland“, beobachtet der vbm. „Dort wird das Geld verdient.“ Eine hohe Umsatzrendite des Unternehmens bedeutet also nicht automatisch, dass die heimischen Standorte besonders gewinnbringend arbeiten.

Besorgniserregende Entwicklung

Die Produktivität jedenfalls kommt hierzulande kaum voran. Aus der amtlichen Statistik ergibt sich: Seit 2012 hat der Output je geleisteter Stunde Arbeit nur noch um durchschnittlich 0,3 Prozent pro Jahr zugelegt. Zum Vergleich: Im Zeitraum 2000 bis 2007 lag dieser Wert noch bei über 4 Prozent.

Das ist auf Dauer auch für die Mitarbeiter ein Problem, wie der „Strukturbericht für die M+E-Industrie in Deutschland“ klarmacht. In der Studie des Kölner Beratungsunternehmens IW Consult heißt es: „Nur dank einer hohen Arbeitsproduktivität sind die Unternehmen in der Lage, die im internationalen Vergleich hohen Entgelte zu zahlen. Vor diesem Hintergrund ist der zu beobachtende deutliche Rückgang des Produktivitätswachstums mit Sorge zu betrachten.“

Aber wie kommt es zu dieser Entwicklung? Der Einzelne legt sich ja nicht weniger ins Zeug als früher. Die IW-Ökonomen haben für das, was die Statistik ausweist, denkbare Erklärungen überprüft. Eine Auswahl: Die M+E-Belegschaften sind kräftig gewachsen – nicht zuletzt, weil Firmen immer mehr „produktbegleitende Dienstleistungen“ bieten. Das, so die Studie, „kann zur Absenkung der Arbeitsproduktivität beigetragen haben“.

Neuer Schub durch Digitalisierung

Zudem müssen die Auslandswerke gesteuert werden: „Dazu wird Personal in den Headquartern benötigt, wobei dieser Personalaufbau im Inland mit keiner Produktionsausweitung einhergeht, da diese im Ausland stattfindet.“

Auch fällt statistisch auf, dass M+E-Unternehmen inzwischen weniger Vorleistungen einsetzen als vor der Krise – also mehr selbst machen („Insourcing“). Damit gehen laut IW Consult „Spezialisierungsvorteile“ verloren, was der Produktivität abträglich ist.

Besserung ist immerhin in Sicht. Die umfassende Digitalisierung der Fertigung wird die Produktivität deutlich voranbringen. Aber das dürfte noch ein paar Jahre dauern – und wird jetzt erst einmal viel Geld kosten.

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