Mannheim. Ein junger Mann feilt an einem Metallteil, das ein Zentrierwinkel werden soll. Für die Azubis um ihn herum ist es der Start ins Berufsleben. Für Rakib Azam (Name geändert) ist es noch viel mehr: ein ganz neues Leben, hier, beim Landmaschinenhersteller John Deere in Mannheim.
Noch vor zweieinhalb Jahren kannte er kein einziges deutsches Wort. „Den Namen Mannheim hatte ich nie gehört“, sagt Azam. Er kommt aus Bangladesch und war erst 17 Jahre alt, als seine Familie ihm erklärte, dass er das Land verlassen müsse. Allein! „Zwei Tage später ging mein Flug nach Weißrussland“, erzählt Azam, „und von dort ging es im Auto über Polen nach Berlin.“ Sein Blick ist ernst, seine Worte knapp.
Betriebe helfen Jugendlichen wie ihm
Warum er in die Fremde geschickt wurde und was mit seiner Familie ist – darüber will er nicht sprechen. Es sind politische Gründe. Die Erinnerung lässt ihn traurig aussehen. Selbst heute fühlt er sich hier noch nicht ganz sicher, will nicht, dass sein Name in der Zeitung steht.
Dass er jetzt Azubi ist, liegt am Projekt „Flüchtlinge in Ausbildung“ von sieben Mannheimer Firmen und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall. Es ermöglicht unbegleiteten minderjährigen Schutzsuchenden ein halbes Jahr eine Einstiegsqualifizierung in Betrieben und Berufsschule als Vorbereitung für eine Lehre.
Das Projekt initiierte Ingolf Prüfer, Personaldirektor bei John Deere und Vorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rhein-Neckar. „Wir haben eine gesellschaftliche Verpflichtung“, erklärt er. Und es gehe außerdem um die Nachwuchssicherung. Vier junge Leute, darunter Azam, lernten bei John Deere zunächst die Grundlagen.
Betriebsrat Birol Koca ist stolz auf dieses Projekt: „Dass wir Flüchtlingen helfen wollen, darin waren sich Belegschaft und Unternehmensführung von Anfang an einig.“ Sie spendeten zum Beispiel die Werkfahrräder des Standorts, wo rund 3.000 Leute arbeiten, an eine Flüchtlingsunterkunft.
Die neuen Praktikanten in dem Qualifizierungsprogramm waren stets mit den Lehrlingen zusammen. Ausbildungsleiter Jürgen Gund animierte diese, auf die „Neuen“ zuzugehen: „Auch sie selbst lernen ja viel dabei.“ Für eine Ausbildung sei gutes Deutsch die Grundvoraussetzung, um auch in der Berufsschule mitzukommen, meint Ausbildungsmeister Peter Weinsheimer. Oft sah er in fragende Gesichter: „Dann habe ich einfach vorgeführt, was ich meine.“
Für Azam schuf John Deere eine zusätzliche Lehrstelle
Bei Azam lief’s nach dem Praktikum super. Sein Abitur in Bangladesch ist hier als Mittlere Reife angerechnet worden. Sein Deutsch machte rasch Fortschritte, weil er in einer Pflegefamilie lebt. Eigentlich wären es sechs neue Azubis, die hier Industriemechaniker lernen. Azam ist der siebte: Für ihn wurde eine zusätzliche Stelle geschaffen. „Das hier ist mein neues Leben“, sagt er.
Jetzt schnuppern bei John Deere drei weitere junge Leute, die als Minderjährige allein herkamen, den Geruch von Metall und Maschinen. Das Projekt geht in die nächste Runde.
Persönlich
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Durch Zufall. In meiner Heimat wollte ich etwas Kaufmännisches machen. Als Flüchtling konnte ich bei einem Qualifizierungsprogramm mitmachen, für die Ausbildung zum Industriemechaniker.
Was reizt Sie am meisten?
Mit Maschinen zu arbeiten und neue technische Möglichkeiten kennenzulernen.
Worauf kommt es an?
Man muss sehr genau arbeiten. Sonst stimmt hinterher das Werkstück nicht.