Der Chef ordnet eine Versetzung an. Was tun, wenn der Mitarbeiter unverhofft eine neue Tätigkeit übernehmen, eventuell sogar an einen anderen Unternehmensstandort soll? Hülya Senol, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Köln, erklärt, wie sich Arbeitnehmer bei einer Versetzung verhalten sollten – und warum eine Veränderung manchmal sogar eine gute Lösung ist.

Ist mit einer Versetzung immer nur ein anderer Arbeitsort gemeint?

Nein. Eine Versetzung liegt laut Betriebsverfassungsgesetz auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird oder sich die Arbeitsumstände erheblich ändern. Und das nicht nur vorübergehend.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit der Chef mich versetzen darf?

Nicht unüblich sind in Arbeitsverträgen Versetzungsklauseln, die gewährleisten, dass das Arbeitsverhältnis flexibel ausgelebt werden kann. Wenn eine solche Klausel im Vertrag fehlt und sowohl der Arbeitsbereich als auch der Ort dort hinreichend konkret beschrieben sind, würde der Arbeitgeber mit einem Versetzungswunsch zu weit gehen. Bevor man einer Versetzung zustimmt, sollte man also in seinen Vertrag schauen.

Ist eine Versetzungsklausel also immer ein Nachteil?

Nein, zumal auch Mitarbeiter davon profitieren können. Wenn ein Schichtleiter zum Beispiel in seinem Vertrag stehen hat, dass er bei Bedarf auch als Produktionsmitarbeiter eingesetzt werden darf, findet er das wahrscheinlich auf den ersten Blick nicht so prickelnd. Aber wenn die Schichtleiterstelle wegfällt, rettet ihn möglicherweise genau diese Versetzungsklausel, weil er dann auch auf die Stelle des Produktionsmitarbeiters verwiesen werden kann.

Was steckt in der Regel hinter einer Versetzung seitens des Arbeitgebers? Soll der Mitarbeiter rausgeekelt werden?

Das kann natürlich eine Motivation für den Vorgesetzten sein, muss es aber nicht. Häufig steckt dahinter, dass der Arbeitgeber dadurch Ruhe in ein Team oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis bringen will, etwa weil es dort Konflikte gibt. Es gibt aber auch ganz oft die Variante, dass ein Arbeitnehmer von sich aus versetzt werden möchte, weil er mit seinem direkten Vorgesetzten nicht mehr klarkommt oder mit Kollegen. Einen Anspruch auf Versetzung hat ein Arbeitnehmer aber nur, wenn dies vertraglich geregelt ist.

Was darf der Chef dem Arbeitnehmer bei einer Versetzung zumuten?

Der Arbeitgeber muss, wenn er eine Versetzung durchsetzen will, immer nach „billigem Ermessen“ handeln. Das bedeutet, dass er seine Interessen gegen die Interessen des Beschäftigten abwägen muss. Ist die Entscheidung verhältnismäßig, das ist die Frage. Wenn zum Beispiel ein Familienvater mit einer Verkäuferin verheiratet ist, die nicht ohne Weiteres versetzt werden kann, könnte eine Versetzung ihres Mannes unverhältnismäßig sein. Außerdem sollte der Arbeitgeber immer darauf achten, dass die künftige Tätigkeit mindestens gleichwertig ist. Wenn das der Fall ist, empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer in der Regel, die Versetzung zu akzeptieren.

Ist auch eine Herabstufung beim Gehalt akzeptabel?

Nein. Das würde eine Änderung des Arbeitsvertrags bedeuten. So etwas ließe sich jedoch einvernehmlich regeln.

Dennoch ist eine Versetzung immer eine berufliche Zäsur …

Genau, deshalb würde ich mir bei dieser Gelegenheit immer ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen. Später geht der direkte Vorgesetzte vielleicht in Rente, wer soll dann die Leistungen des Beschäftigten im bisherigen Arbeitsbereich beurteilen? Vielleicht passt der neue Job auch nicht und der Mitarbeiter kann sich dann mit einem Zwischenzeugnis besser auf eine neue Stelle bewerben.

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Wenn ich als Arbeitnehmer nicht einverstanden bin mit einer Versetzung, wie sollte ich dann vorgehen?

Ich würde die Tätigkeit erst mal nicht verweigern, sondern annehmen. Vor Antritt der neuen Stelle sollte man dem Chef allerdings am besten schriftlich mitteilen, dass man den neuen Job nur unter Vorbehalt annimmt und gerichtlich prüfen lässt, ob die Versetzung rechtens ist. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sich der Mitarbeiter abmahnwürdig verhält. Wenn er oder sie sich der Versetzung von vornherein verweigert hat und die arbeitsgerichtliche Überprüfung dann ergibt, dass der Arbeitgeber richtig gehandelt hat, kann eine Abmahnung oder sogar Kündigung drohen. Das ist das Risiko, das mit einer grundsätzlichen Ablehnung einhergeht. Generell sollte der Arbeitnehmer erst mal das Gespräch mit dem Chef suchen und seine Argumente vorbringen, oft gibt es ja auch Betriebsräte, die man um Unterstützung bitten kann.

Apropos Betriebsrat: Muss er einer Versetzung zustimmen?

Ja. Eine Versetzung stellt ja eine personelle Einzelmaßnahme dar, die immer der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. Wobei der Betriebsrat bei leitenden Angestellten nur informiert werden muss. Im öffentlichen Dienst ist es wieder ein bisschen anders: Hier muss der Personalrat bei der Versetzung zu einer anderen Dienststelle zustimmen. Da greift das Mitbestimmungsrecht nur bei einem Ortswechsel.

Kann ich theoretisch überall hin versetzt werden?

Das hängt davon ab, was im Arbeitsvertrag geregelt ist. Der Arbeitsvertrag sieht oftmals einen konkreten Ort vor. Dann wäre es rechtswidrig, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise von Köln nach München versetzt würde. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber eine sogenannte Änderungskündigung aussprechen, was bedeutet, dass er das bisherige Arbeitsverhältnis kündigt und eine neue Beschäftigung unter anderen Bedingungen anbietet. Das müsste auch passieren, wenn im Vertrag nichts Konkretes zum Arbeitsort steht. Bei einer solchen Änderungskündigung muss der Arbeitgeber aber immer eine Sozialauswahl durchführen, also zum Beispiel das Alter oder Unterhaltspflichten des Mitarbeiters berücksichtigen. Es sind also immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Tritt ein Arbeitnehmer in ein Unternehmen mit bundesweiten Betriebsstätten ein und enthält der Arbeitsvertrag eine Versetzungsregelung, muss er allerdings damit rechnen, dass er mal ganz woanders eingesetzt werden soll.

Wie sollte ich mich verhalten, wenn der Chef mir eine solche Änderungskündigung anbietet?

Man kann keinem Arbeitgeber verbieten, eine Kündigung oder Änderungskündigung auszusprechen. Die Frage ist nur, wie rechtmäßig sie ist. Das muss im Zweifel ein Gericht entscheiden. Der Arbeitnehmer kann auch hier das neue Arbeitsverhältnis zunächst unter Vorbehalt annehmen, um dann die Rechtmäßigkeit durch das Arbeitsgericht überprüfen zu lassen. Das ist eigentlich die sicherste Variante, wenn man später nicht mit leeren Händen dastehen will. Diese Annahme unter Vorbehalt ist allerdings unweigerlich mit einer Kündigungsschutzklage verbunden und zwar binnen drei Wochen nach Erhalt der Änderungskündigung. Möglich ist dann entweder ein Vergleich, mit dem sich viele Bedingungen für den Arbeitnehmer verbessern lassen oder man verabschiedet sich voneinander unter Zahlung einer Abfindung. Man kann natürlich auch die Änderungskündigung annehmen. Da sind die Gestaltungsspielräume groß. Dabei sollte man sich auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen.

Warum werden Änderungskündigungen ausgesprochen?

Meistens gehen damit Gehaltseinbußen einher, etwa weil es dem Betrieb schlecht geht. Deshalb ist es in der Regel ratsam, so etwas nicht vorbehaltlos zu unterschreiben. Wenn andernfalls eine betriebsbedingte Kündigung drohen würde, stellt aber eine Änderungskündigung ein milderes Mittel dar. Daher kann man nicht pauschal sagen, dass ein solcher Vorgang schlecht für den Arbeitnehmer ist. Für den einen ist es sicherlich die bessere Variante, für den anderen nicht.

Muss der Arbeitgeber mir eigentlich Umzugskosten bei einer Versetzung erstatten?

Der Arbeitgeber muss auf jeden Fall die Kosten übernehmen, wenn die Versetzung auf seine Veranlassung hin geschieht und in seinem Interesse liegt. Er mildert damit eine Härte ab. Dies ist gesetzlich in § 670 BGB normiert. Die Erstattung von Umzugskosten ist gemäß § 3 Nr. 13 bzw. 16 EStG steuerfrei. Es fallen dafür auch keine Sozialversicherungsbeiträge an.

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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