Das Krisenjahr 2020 bemüht sich zum Abschied um ein freundliches Gesicht: Neue Impfstoffe aus Deutschland und den USA versprechen Rettung im Kampf gegen die Pandemie, der Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl verspricht die Rettung von Freiheit und westlichen Werten.

Doch so wie Corona durch den medizinischen Fortschritt nicht einfach verschwinden wird, kann Biden allein die Ausbreitung von Nationalismus und Populismus nicht stoppen. Ein starkes Europa ist dafür ebenso wichtig.

Eine Top-Expertin macht uns hier Hoffnung: „Vor uns liegen vier Jahre, in denen wir mit den USA konstruktiv zusammenarbeiten können“, sagt Daniela Schwarzer, Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die Faktoren, die 2016 zur Wahl Donald Trumps geführt hätten, seien nicht verschwunden. Schwarzer sieht jedoch große Chancen, dass Konflikte zwischen Staaten künftig wieder stärker im Rahmen internationaler Organisationen behandelt werden.

    Systemwettstreit mit Chinas Staatskapitalismus

    „Viele internationale Organisationen haben an Bedeutung verloren“, so die Chefin des diplomatischen Thinktanks – nicht nur wegen „Trumps gezielter Schwächungspolitik", sondern auch, weil sie längst reformbedürftig sind. „Europa und die USA können jetzt an einem breiteren Konsens darüber arbeiten, wie es etwa mit Welthandels- und Weltgesundheitsorganisation weitergeht.“

    Auf dem Weg zu einer transatlantischen Agenda aber müssen USA und Europa in strittigen Fragen zueinanderfinden. „Biden wird die Europäer drängen, sich im Konflikt mit China stärker an die Seite der USA zu stellen.“ Gemeinsam müsse man eine Strategie entwickeln – für einen Systemwettbewerb „unserer westlichen liberalen Demokratie und Marktwirtschaft mit einem autoritären Staatskapitalismus, der auf Technologie zur Kontrolle der Bevölkerung setzt“.

    Erneuter Beitritt zum Klimaabkommen

    Im Gegensatz zu Trump werde Biden Konflikte zwar nicht unnötig eskalieren – und wohl auch dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten. Doch auch der neue US-Präsident werde klar für amerikanische Interessen eintreten.

    In der Wirtschaft: Auch Biden dürfte erwarten, dass Europa weniger in die USA exportiert und mehr importiert. Und er dürfte ebenso infrage stellen, dass Deutschland über die neue Pipeline Nordstream 2 mehr Gas aus Russland beziehen will.

    In der Verteidigungspolitik: Die USA erwarten weiter, dass „ein kraftvoller Wirtschaftsraum mit Deutschland und Frankreich sich weniger auf US-Sicherheitsgarantien verlässt“. Im Gegensatz zu Trump aber sei Biden überzeugt, dass Europa amerikanischen Interessen umso mehr nutzt, wenn es stark und geeint ist.

    Eine Haltung, die auch die verfahrenen Brexit-Verhandlungen positiv beeinflussen könne. Da hakt es ja an der Frage, ob es wieder Grenzkontrollen geben soll zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Von der Antwort hängen Frieden und Stabilität in der Region ab. „Wenn Großbritannien dort die Grenze wieder hochzieht, werden die USA kein Freihandelsabkommen mit London ratifizieren“, ist Schwarzer überzeugt.

    USA und EU: Mehr gemeinsame Außenpolitik

    Doch wie ist es um die Zukunft der Demokratie in der Welt bestellt? „Im Moment sehen wir ein Erstarken der autoritären Staaten“, so die Außenpolitik-Expertin. „Die Demokratien müssen ihre Widerstandsfähigkeit stärken.“ Heißt auch: Schutz des eigenen politischen Systems vor gezielter Untergrabung durch Regimes wie Russland oder China. Der Erfolg hänge auch von mehr gemeinsamer Außenpolitik der transatlantischen Partner USA und EU ab.

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